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Datum:03.05.2021 - Kategorie:Gesundheit
Lesedauer:ca. 12 Min.

Angststörungen erkennen und behandeln

Alle Menschen haben Angst. Das ist normal. Was aber, wenn die Angst den Alltag überschattet und krankhaft wird? Wie man eine generalisierte Angststörung erkennt und dagegen ankämpft.

Früher beschützte sie uns vor wild gewordenen Säbelzahntigern. Heute vor dem Straßenverkehr, großen Höhen oder heißen Herdplatten. Angst gehört zum Leben. Und das ist auch gut so. Denn hätten unsere Vorfahren nicht Reißaus genommen, als der Säbelzahntiger hinter dem Felsen hervorkam, wären sie gefressen worden. Würde unser Blick heute nicht nach links und rechts wandern, bevor wir die Straße überqueren, könnten wir auf der Motorhaube eines Autos landen. Und wer vor der heißen Herdplatte zurückschreckt, verbrennt sich nicht die Finger.

Angst ist ein angeborenes und (über)lebenswichtiges Grundgefühl, das uns vor Gefahren warnt und Leben rettet. Angst schärft die Sinne: Atmung und Herzschlag werden schneller, die Pupillen weiter, die Muskeln besser durchblutet. Der Körper schüttet Stresshormone aus, sorgt für erhöhte Konzentration, Aufmerksamkeit und macht sich bereit für eine schnelle Reaktion: Weglaufen? Kämpfen oder doch lieber totstellen? Den meisten Menschen sagt ihr Gefühl, welche Reaktion die richtige ist und ob die Angst angebracht ist. Bei einigen Menschen aber verwandelt sich die sinnvolle Stressreaktion in einen diffusen Dauerzustand. Ihr Körper schlägt auch in harmlosen Momenten Alarm. In solchen Fällen spricht man von einer generalisierten Angststörung.

Was ist eine generalisierte Angststörung?

Angststörungen haben viele Gesichter. Sie tauchen als spezifische Phobien auf, zum Beispiel vor Spinnen, Prüfungen oder Tunneln. Eine weitere Form sind Panikattacken, die überfallartig kommen und mit Atemnot, Herzrasen und Co. einhergehen. Manche Menschen aber leben ohne Phobien und Panikattacken – und trotzdem in Angst: Sie leiden unter einer generalisierten Angststörung, eine der häufigsten psychischen Erkrankungen. Hier wollen die Sorgen einfach kein Ende mehr nehmen. Die ganze Wahrnehmung liegt unter einem grauen Schleier aus negativen Gefühlen und ständiger Anspannung.

Die Ängste der Betroffenen richten sich dabei auf ähnliche Dinge wie bei gesunden Menschen: Behalte ich meinen Job? Werde ich krank? Verliere ich meinen Partner? Das ist nicht ungewöhnlich. Gesunde Menschen aber sorgen sich aus einem konkreten Grund. Sie fürchten den Jobverlust, wenn der Arbeitgeber rote Zahlen schreibt, oder Erkrankungen, wenn es ihnen körperlich schlecht geht. Bei Menschen mit generalisierter Angststörung hingegen braucht die Angst keinen Grund. Die Betroffenen wissen oft nicht mal genau, wovor genau sie Angst haben. Sie sorgen sich, den Job zu verlieren, obwohl nichts darauf hindeutet. Oder leben in übertriebener Furcht, einem geliebten Menschen könne etwas Schlimmes zustoßen.

Erkrankte haben die Ängste nicht im Griff, im Gegenteil: Die Ängste haben sie im Griff.

Sie leben über Monate oder Jahre in einer Spirale aus übersteigerten Ängsten und Sorgen, ohne sie konkret bestimmen und kontrollieren zu können. Für gewöhnlich baut sich die psychische Dauerbelastung Stück für Stück auf, ohne zunächst besonders aufzufallen. Erkannt wird sie oft erst, wenn sie begleitet wird von körperlichen Beschwerden wie Herzklopfen, Schwindel, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Muskelverspannungen und Schlafproblemen. Nicht selten gehen damit auch Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen einher.


Eine generalisierte Angststörung liegt vor, wenn Ängste …

  • den ganzen Alltag beeinträchtigen und mindestens sechs Monate andauern
  • unkontrollierbar werden und einen nahezu handlungsunfähig machen
  • mit mindestens drei körperlichen Symptomen einhergehen, etwa Herzrasen, Zittern, Muskelverspannungen oder Magenbeschwerden

Gene und Kindheitserfahrungen spielen eine Rolle

Ängste sind ein ständiger Begleiter im Leben. Warum aber können einige Menschen sie nicht mehr kontrollieren? Warum hält sich die Angst bei dem einen in Grenzen und wächst dem anderen über den Kopf? Die Ursachen für eine generalisierte Angststörung sind vielfältig. Ein Grund aber steckt tatsächlich in den Genen: Menschen, die zu wenig Dopamin und Serotonin produzieren, weisen ein höheres Krankheitsrisiko auf, weil die Botenstoffe entscheidenden Einfluss auf unsere Gefühlswelt haben.

Wer also unter einem Mangel dieser Glückshormone leidet, neigt häufiger zu einem schweren Gemüt, Ängsten und Depressionen. Die Schuld alleine den Genen in die Schuhe zu schieben, wäre allerdings zu einfach. Schließlich kommen Erbanlagen erst zur Ausprägung, wenn sie auf fruchtbaren Boden fallen.

Genauso entscheidend können belastende Kindheitserlebnisse sein, die bis ins Erwachsenenalter Spuren hinterlassen. Wer zum Beispiel früh den Verlust eines nahen Angehörigen miterleben musste, leidet im Laufe seines Lebens statistisch betrachtet häufiger unter Angststörungen. Das Gleiche gilt für Menschen, die als Kind keine sicheren Bindungen erfahren durften. Verhielten sich Eltern oder nahe Verwandte oft unvorhersehbar, wusste man also nicht, wann das nächste Gewitter über einen hereinbricht, können sich Ängste manifestieren und zum lebenslangen Begleiter werden.

Die schlechte Nachricht: Die Gene und die Kindheit kann man im Nachhinein nicht mehr verändern. Die gute Nachricht: Sein Verhalten und die Reaktionen darauf schon.


Wie wird eine generalisierte Angststörung behandelt?

Eine generalisierte Angststörung zu überwinden, kann Monate oder Jahre dauern – und klappt unter Umständen nur mit professioneller Hilfe. Wer die Erkrankung nicht selber in den Griff bekommt, sollte die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch nehmen. Spricht die Diagnose für eine generalisierte Angststörung, geht die Therapie gelernten Denkmustern hinter den Ängsten und Sorgen auf den Grund – mit dem Ziel, sie zu steuern und zu verändern. Zur Unterstützung der Therapie werden häufig Entspannungstechniken wie autogenes Training, aber auch Medikamente wie Antidepressiva eingesetzt. Oft ist schon nach wenigen Wochen Besserung in Sicht.


„Was ist, wenn …?“

Wohl kaum ein Satz steht sinnbildlicher für generalisierte Angststörungen. Die meisten Erkrankten haben negative Gedanken so tief verinnerlicht, dass sie ihnen ganz normal erscheinen. Sie denken, diese vorauseilende Angst würde sie in besonderem Maße schützen vor Gefahren und schlechten Erfahrungen. Dahinter steckt die Idee: Gehe ich davon aus, dass es mich ohnehin treffen wird, dann bin ich am Ende nicht überrascht, wenn es wirklich so kommt.

Besonders lebensbejahend und ratsam ist das aber nicht. Zwar legen wir diese Verhaltensweise alle ab und zu an den Tag, wenn sie aber überhandnimmt, besteht die Gefahr, sie schablonenartig in allen erdenklichen Situationen abzurufen. Die Folge: Wir begeben uns in eine Spirale aus negativen Gefühlen und erfahren keinerlei Erfolgserlebnisse mehr.

Bei Ängsten negative Denkmuster überwinden

Umso wichtiger ist es, die Denkmuster zu durchbrechen, solange sie noch nicht Besitz von uns ergriffen haben. Natürlich kann es naiv sein, immer vom Besten auszugehen. Genauso unlogisch ist es aber auch, ständig vom Schlimmsten auszugehen.

Man kann aktiv üben, vom guten Ausgang einer Sache auszugehen, indem man einen objektiven Blick auf die Ausgangslage wirft. Warum sollte ich meinen Arbeitsplatz verlieren, wenn es der Firma gutgeht und ich eigentlich fest im Sattel sitze? Wo sollte ich mich angesteckt haben, ich habe doch alle Hygienevorkehrungen eingehalten? Wieso sollte meinem Partner auf der Dienstfahrt etwas zustoßen, wenn er noch nie einen Verkehrsunfall hatte?

Ertappt man sich dabei, wieder mal alles schwarz zu sehen, kann es also helfen, die Alternativen in den Blick zu nehmen und an das Gute zu glauben. Denn seien wir mal ehrlich: Es ist doch echte Zeitverschwendung, sich Horrorszenarien auszumalen, die einem schlaflose Nächte bringen – und dann am Ende doch nicht eintreten.

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