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Datum:10.03.2023 - Kategorie:Gesundheit
Lesedauer:ca. 13 Min.

Bipolare Störung – Leben zwischen zwei Welten

Sie wird oft missverstanden oder falsch diagnostiziert: Eine Psychologin verrät, was eine bipolare Störung ist und wie man die Erkrankung in den Griff bekommt.

Gestern sprudelten die Ideen, „Kreativität, die man nicht missen möchte“, sagt Psychotherapeutin Brigitte Carlson. Doch schon am nächsten Tag scheint nichts im Leben mehr Sinn zu ergeben – Lustlosigkeit bis zur Depression stellt sich ein. Hier und im Video erklärt die Expertin solche und viele weitere typische Anzeichen.

Was ist eine bipolare Störung?

Eine bipolare Störung, auch als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet, ist eine psychische Krankheit, die durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist. Betroffene erleben eine Phase von Manie oder eine hypomanische Episode, in der sie sich sehr euphorisch, energiegeladen und impulsiv fühlen können. Auf diese manischen Phasen folgen dann depressive Episoden, in denen sie sich „zu Tode betrübt“, hoffnungslos und energielos fühlen, so die Expertin.

Das Umswitchen dieser Phasen passiert plötzlich, ohne ersichtlichen Grund für die anderen.

Welche Ursachen hat eine bipolare Störung?

Weshalb Menschen eine bipolare Erkrankung entwickeln, ist wissenschaftlich noch nicht vollends geklärt. Man nimmt an, dass es eine Kombination aus mehreren Ursachen gibt. „Es gibt beispielsweise einen sehr starken genetischen Faktor“, so Carlson. Wenn bereits Familienmitglieder betroffen sind oder waren, steigt das Risiko, selbst zu erkranken. Aber auch soziale Faktoren, wie Traumata in der Kindheit, begünstigen die Entstehung dieser und auch vieler anderer psychischer Erkrankungen. 

Wie äußert sich eine bipolare Störung?

Eine bipolare Störung äußert sich in extremen Stimmungsschwankungen, die in der Regel in Episoden auftreten. Durch die völlig unterschiedlichen Verhaltensweisen ist eine Erkrankung nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Die folgenden Merkmale sind typisch für die manischen Episoden:

  • Euphorie und übermäßige Energie: Dieses Symptom führt in der Phase der Manie unter anderem zu Problemen mit dem Schlaf-wach-Rhythmus.
  • Übermäßiges Selbstvertrauen: Dieses Symptom in den manischen Phasen zeigt sich unter anderem durch narzisstische Bemerkungen im Arbeitsleben, was entsprechende Probleme mit Kollegen und dem Arbeitgeber hervorrufen kann.
  • Schnelles Denken: Gedanken, „sprühen förmlich aus Betroffenen heraus“, so die Expertin. Der enorme Redefluss in der Manie kann irritierend auf andere wirken, bringt jedoch in einigen Fällen auch ein hohes Maß an Kreativität hervor.
  • Risikobereitschaft, Verlust der Urteilskraft und Unvernunft im Alltag: Betroffene schließen beispielsweise leichtsinnig und ohne die nötigen Finanzmittel Verträge ab, „kaufen beispielsweise Häuser“, so Carlson. Auch Drogenkonsum gilt neben riskantem Sexualverhalten als mögliches Symptom.

In depressiven Phasen zeigen sich hingegen völlig andere Symptome:

  •  Hoffnungslosigkeit und Leere: Es kommt zur bipolaren Depression, einer tiefen Trauer, die für Außenstehende nicht zu erklären ist.
  • Energielosigkeit und Schlafstörungen: Neben gereizter Stimmung haben Erkrankte kein Interesse mehr an alltäglichen Aktivitäten, die ihnen eigentlich Freude bereiten. Wie bei der Manie kommt es zum Symptom der Schlafstörungen.
  • Appetitlosigkeit oder übermäßiges Essen: Während einer depressiven Phase leiden bipolare Menschen in einigen Fällen auch unter Störungen des Essverhaltens.
  • Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung: Auch bei diesem Symptom tritt das vollständige Gegenteil zur Phase der Manie ein. Selbst leichte Entscheidungen fallen plötzlich schwer, Frust stellt sich ein und verstärkt weitere der genannten Anzeichen

Im Video verrät Brigitte Carlson, woran man gute Therapeuten bereits in der ersten Sitzung erkennt.

Brigitte Carlson erklärt, woran man eine bipolare Störung erkennt

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Welche Möglichkeiten hat der Arzt, eine bipolare Störung zu diagnostizieren?

Viele Anzeichen treten einzeln oder gesammelt auch bei anderen psychischen Erkrankungen auf. Zum Beispiel kann man Anzeichen von manischen oder hypomanischen Episoden für eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Borderline-Persönlichkeitsstörung halten, während depressive Episoden auch auf eine klinische Depression hindeuten können.

Eine weitere Schwierigkeit bei der Diagnose ist, dass viele Betroffene während ihrer manischen Episoden nicht in Behandlung sind, da sie sich in diesem Zustand oft sehr gut fühlen und nicht erkennen, dass sie Hilfe benötigen. Dies kann dazu führen, dass Experten zunächst nur die depressiven Phasen diagnostizieren und behandeln.

Es ist entsprechend wichtig, eine sorgfältige Anamnese und die Beobachtung der Symptome über einen längeren Zeitraum durchzuführen, um eine genaue Diagnose zu stellen. Das Führen eines Tagebuchs von potenziell Erkrankten kann beispielsweise wichtige Aufschlüsse für Therapeuten geben. 

Wie werden bipolare Störungen behandelt?

Nur wenn die Diagnose korrekt ist, können Experten sie auch richtig behandeln. Um den Einsatz von psychoaktiven Medikamenten kommen Patienten dann „leider nicht herum“, so Carlson. Dies deckt sich mit den Empfehlungen der sogenannten S3-Leitlinie, in der zahlreiche Experten auf diesem Gebiet ihr Wissen zusammengetragen haben und unter anderem Behandlungsempfehlungen geben. Die medikamentöse Behandlung umfasst in der Regel Stimmungsstabilisatoren, Antipsychotika und Antidepressiva. Stimmungsstabilisatoren wie Lithium, Valproinsäure und Carbamazepin können gemeinsam mit Antidepressiva helfen, manische und depressive Episoden zu kontrollieren und das Risiko von Rückfällen reduzieren. Antipsychotika setzt man häufig zur Kontrolle manischer Episoden ein. Eine medikamentöse Behandlung muss man zwingend durch psychologische Behandlungen wie eine Gesprächs- oder kognitive Verhaltenstherapie ergänzen! 

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

„Durch die Psychotherapie sensibilisieren wir die Patienten, das Umswitchen besser wahrzunehmen und die Selbstwahrnehmung zu verbessern“, so Carlson. Ziel ist es, das Patienten in Absprache mit einem Psychiater ihre Medikation eingeständig anpassen und mit Psychotherapiesitzungen nach Bedarf die beiden extremen Gefühlsbereiche ausbalancieren und ihr Verhalten in diesen Phasen bestmöglich zu kontrollieren lernen. Je nach Patient kann auch eine Gruppen- oder Familientherapie sinnvoll sein.

Was kann man als Betroffener selbst gegen diese Krankheit tun?

Die ersten Worte sind immer: So kann ich nicht weiterleben

Der erste Schritt ist laut Carlson entsprechend zu verstehen, dass sich aufgrund des Leidensdrucks im Alltag etwas ändern muss. Sich in Therapie zu begeben, ist der somit erste und wichtigste Schritt, um die psychische Gesundheit zu verbessern.
Parallel dazu können bipolare Menschen im Alltag aber auch auf einige Dinge achten, um ihre Erkrankung zu kontrollieren:

  • Routinen entwickeln: Sie helfen dabei, berechenbare Phasen zu haben, in denen Schlaf-, Essens- und auch bewusste Entspannungszeiten leichter einzuhalten und umzusetzen sind.
  • Persönliche Entspannungsmethode finden: Ob Yoga, Achtsamkeitsübungen oder Sport ist ganz egal, solange die Methode dabei hilft, leichter mit Stresssituationen umzugehen und die Reizschwelle herabzusetzen.
  • Therapiepläne einhalten: Gemeinsam mit Experten erarbeiten Betroffene maßgeschneiderte Strategien zur Bewältigung ihrer Krankheit. Wer sie diszipliniert einhält, steigert die Chancen für Erfolg deutlich.

Wie können Angehörige einem Menschen mit bipolarer Störung helfen?

Aufgrund der extremen Verhaltensweisen ist eine bipolare Störung nicht nur für Betroffene selbst, sondern auch für Angehörige enorm fordernd. „Viele Ehen zerbrechen an der Belastung“, sagt Carlson. Angehörige können entsprechend Hilfe zur Selbsthilfe leisten und bei wiederkehrenden Problemen im Alltag auf die Notwendigkeit von Änderungen hinweisen. Probleme sollten sie gezielt ansprechen und aktiv die Option einer Psychotherapie vorschlagen. Erste Sitzungen gemeinsam zu absolvieren, kann helfen, die Schwelle zur Terminvereinbarung herabzusetzen. Sich zusätzlich als Stütze und Vertrauensperson in der Behandlungsprozess einzubinden, ist sehr hilfreich, aber auch ebenso herausfordernd. Angehörige sollten entsprechend auch immer ihre eigenen Belastungsgrenzen im Blick behalten und können sich bei zahlreichen Beratungsstellen selbst Hilfe holen. 

Welche Folgen kann eine unbehandelte bipolare Störung haben?

Eine bipolare Störung zu haben, bedeutet, ein deutlich anstrengenderes Leben als im Durchschnitt zu führen. Unbehandelt steigt entsprechend das Risiko, dass Konsequenzen von Krankheitsmerkmalen wie erhöhter Risikobereitschaft, Depressionen oder Selbstüberschätzung zu drastischen Einschnitten im Leben führen. Suchtprobleme, Berufs- und Beziehungsverlust sind für Betroffene deutlich wahrscheinlicher. 

Bis zu einem Viertel aller bipolaren Menschen unternehmen in ihrem Leben zudem einen Selbsttötungsversuch. Nur mit entsprechender Therapie können Betroffene und Therapeuten diese Konsequenzen und Gefahren kontrollieren und Risiken auf das Minimum reduzieren. Gelingt dies, können auch bipolare Menschen ein erfülltes Leben mit ihrer Erkrankung führen.

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