Brustkrebs beim Mann: Interview mit Patient Marc
Die Diagnose Brustkrebs gilt eigentlich als Frauenkrankheit. Was viele nicht wissen: Auch ein Mann kann an Brustkrebs erkranken – so wie Marc*. Der 39-jährige Familienvater hat 2018 Brustkrebs bekommen und hat den Kampf gegen das Mammakarzinom gewonnen. Marc* hat sich bereit erklärt, uns von dieser Zeit zu erzählen, wenn wir seinen richtigen Namen nicht nennen.
Marc, welche Gedanken gingen dir durch den Kopf, als du die Diagnose Brustkrebs bekommen hast?
Die Diagnose hat mich aus heiterem Himmel getroffen, schließlich kommt Brustkrebs bzw. ein Mammakarzinom beim Mann äußerst selten vor. Ich war zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre alt, kerngesund, habe mich gut ernährt und viel bewegt. Zum damaligen Zeitpunkt befand ich mich gerade in Elternzeit für unseren ersten Sohn. Direkt nach der Diagnose fühlte ich mich wie in einem Schockzustand, so als würde ich ins Bodenlose fallen. Ich habe mit vielem gerechnet, aber Brustkrebs beim Mann?! Ich war sprachlos und nicht mehr in der Lage, Auto zu fahren. Meine Frau musste mich abholen.
Du bist sehr jung erkrankt. Wie erkennt ein Mann Brustkrebs? Welche Symptome traten bei dir auf?
Die Anzeichen für Brustkrebs beim Mann sind ähnlich wie bei Frauen. Einige Wochen vor der Diagnose habe ich eine optische Veränderung in meiner linken Brust entdeckt: Meine Brustwarze sah seltsam eingezogen aus. Sie war verhärtet, hat aber keine Schmerzen verursacht. Weil ich nicht wusste, was dahintersteckt, habe ich meinen Hausarzt aufgesucht – der konnte sich zwar auch keinen Reim darauf machen, hat die Auffälligkeiten an meiner Brust aber zum Glück sehr ernst genommen und mich an einen Facharzt überwiesen. Nur einen Tag nach der Ultraschalluntersuchung beim Gynäkologen bekam ich schließlich die Diagnose: Brustkrebs beim Mann. Hinter der optischen Veränderung steckte ein Mammakarzinom, ein bösartiger Tumor.
Das Thema Brustkrebs beim Mann ist wenig bekannt. Weißt du, wie der Krebs bei dir entstanden ist?
Wie Brustkrebs beim Mann entsteht, ist wenig erforscht und nicht immer klar. Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, die zu einem Mammakarzinom führen können: Alkohol, Rauchen, Übergewicht, auch die Vererbung kann eine Rolle spielen. Mancher Mann leidet auch unter einer Genmutation und hat ein zusätzliches X-Chromosom (dieses Phänomen nennt man Klinefelter-Syndrom, Anm. d. Red.). Bei mir trifft aber nichts davon zu.
Vermutlich liegt die Ursache für die Erkrankung in einem hormonellen Ungleichgewicht. Vielleicht hat mein Körper damals mehr Östrogene (weibliche Hormone, Anm. d. Red.) produziert als beim Mann üblich. Außerdem litt ich damals unter enormen Bandscheibenproblemen, vielleicht lag der Fokus meiner Abwehrkräfte zu stark auf meinem Rücken. Wer weiß das schon? Im Endeffekt spielten die Ursachen für mich auch keine große Rolle. Ich bin ein zuversichtlicher, optimistischer Typ und habe schnell nach vorne geblickt. Ich habe mich darauf konzentriert, den Brustkrebs zu besiegen.
Risikofaktoren für Brustkrebs beim Mann
- Gestörter Hormonhaushalt: erhöhter Östrogenspiegel
- Ein hohes Alter
- Adipositas (Body-Mass-Index ab 30)
- Übermäßiger Alkoholkonsum
- Rauchen
- Wenig Bewegung
- Genetische Veranlagung
- Hodenhochstand, vorausgehende Hodenentzündungen oder Nebenhodenentzündungen
Wie ging es nach der Diagnose weiter?
Mir war es zunächst einmal wichtig, mein näheres Umfeld zu informieren. Ich habe meiner Familie und meinen besten Freunden sofort davon erzählt. Auch mein Arbeitgeber wusste Bescheid. Die waren natürlich alle genauso überrascht wie ich: „Brustkrebs beim Mann?“ Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass es das gibt. Ich war froh, wie viel Verständnis, Empathie und Unterstützung mir entgegengebracht wurde. Gerade meine Familie und Freunde haben mir so viel geholfen und zugehört.
Deine Familie und Freunde standen dir sicher auch während der Therapie bei. Wie wichtig war das für dich?
Ich glaube, sie haben einen großen Teil zum glücklichen Ausgang meiner Erkrankung beigetragen. Es klingt vielleicht wie eine Floskel, aber für die Angehörigen ist Krebs oft schlimmer als für den Patienten. Im Unterschied zu einem selbst, wissen sie nicht genau, wie es in einem aussieht und wie sich verhalten sollen. Sie fühlen sich hilflos. Dabei haben mir meine Freunde und Familie schon so unendlich viel geholfen, einfach nur, indem sie immer für mich da waren. Ich habe so viel Zuneigung gespürt! Allein, wenn ich daran denke, wie viele aufmunternde Karten und Nachrichten ich geschickt bekommen habe, kriege ich eine Gänsehaut!
Wie kann Brustkrebs beim Mann behandelt werden?
- Chirurgischer Eingriff, bei denen der bösartige Tumor sowie eventuell die Lymphknoten entfernt werden.
- Nach dem chirurgischen Eingriff folgen je nach Konstellation eine Strahlen-, Chemo- oder Antikörpertherapie, um eventuell verbliebene Krebszellen zu zerstören.
- Alternativ gibt es eine antihormonelle Therapie bzw. endokrine Therapie: Die Spritzen oder Tabletten sollen die Bildung und Wirkung der Östrogene verhindern.
Wie sah denn deine Prognose aus? Wie standen deine Heilungschancen?
Ich hatte Glück im Unglück: Es handelte sich um einen nur mittelmäßig aggressiven bösartigen Tumor. Brustkrebs beim Mann wird im Grunde genauso behandelt wie Brustkrebs bei der Frau. Es wurde eine interdisziplinäre Tumorkonferenz abgehalten, bei der alle beteiligten Ärzte und Fachabteilungen Patienten mit Krebs besprochen haben. Einige Tage später lag ich schon auf dem Operationstisch, wo mir die komplette Brustwarze inklusive des Tumors erfolgreich entfernt wurde.
Entscheidend waren die Folgeuntersuchungen, in denen meine Brust sowie mein Gewebe auf Metastasen bzw. weitere Krebszellen gecheckt wurden. Und auch hier stand mir das Glück zur Seite: Der Brustkrebs hatte nicht gestreut, weder in den Lymphknoten noch in den Knochen oder anderswo waren Metastasten zu sehen. Das war eine wahnsinnige Erleichterung. Meine Frau und ich lagen uns weinend in den Armen. Diesen Moment werde ich mein Leben lang nicht vergessen!
Die Operation bedeutete aber nicht das Ende. Anschließend ging es mit der Chemotherapie weiter.
Genau. Die Ärzte haben mir die Chemotherapie ans Herz gelegt, weil sich der Tumor im frühen Stadium befand und ich die Therapie als junger Mann gut wegstecke. Moderne Chemotherapie tötet alle möglichen Krebszellen im Körper des Patienten gezielt ab und erhöht damit die langfristigen Heilungschancen. Die Therapie lief über fünf Monate und in mehreren Zyklen ab, in denen ich verschiedene Medikamente über die Vene zugeführt bekam. Zudem bekam ich eine Strahlentherapie. Insgesamt habe ich die Therapie gut vertragen, nur die Rückenschmerzen wurden schlimmer – und die Haare fielen mir, wie vom Arzt angekündigt, nach exakt 18 Tagen aus.
Aber auch in dieser Zeit konnte ich mich auf meine Familie verlassen. Mein Vater hat mich zu jeder Behandlung begleitet und stand mir immer bei. Dafür bin ich ihm extrem dankbar! Im Anschluss an die Chemotherapie habe ich dann noch eine onkologische Reha-Kur gemacht. Die Gesundheitskurse in diesen drei Wochen haben mir dann auch geholfen, meine Rückenschmerzen loszuwerden. Ich hatte also nicht nur den Tumor, sondern auch meine Bandscheibenprobleme besiegt (lacht).
Warum erkranken mehr Frauen an Brustkrebs als Männer?
Mehr als 70.000 Frauen erkranken in Deutschland jährlich an Brustkrebs – demgegenüber stehen nur 600 bis 700 betroffene Männer. Damit ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Laut der Deutschen Krebsgesellschaft erkranken mehr Frauen am Mammakarzinom, weil ihre Milchgangzellen deutlich ausgeprägter sind als beim Mann. Und in diesen Milchgangzellen liegen in 80 Prozent aller Fälle die Ursachen für Brustkrebs. Die weiblichen Sexualhormone sorgen für ein Wachstum der Milchgänge, des Drüsengewebes sowie des Binde- und Fettgewebes bei der Frau, während der Mann in der Regel nur über die Anlagen für Milchgänge verfügt.
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Deine Behandlung war erfolgreich. Musst du Nachsorge betreiben? Ab wann gilt dein Brustkrebs als geheilt?
Meine Erkrankung liegt mehr als drei Jahre zurück und seitdem wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Generell gilt: Wenn Patienten – egal, ob Frau oder Mann – fünf Jahre nach der Erstdiagnose immer noch keinen Krebs wieder haben, gelten sie als geheilt. Derzeit gehe ich alle drei Monate zur Nachsorgeuntersuchung beim Gynäkologen, dort wird dann zum Beispiel eine Mammografie gemacht. Außerdem mache ich eine antihormonelle Therapie: Ich schlucke jeden Morgen eine Tablette, welche die Bildung von Östrogenen blockiert. Und natürlich gehe ich regelmäßig zur Vorsorge. Krebs kann jeden treffen und macht vor niemandem Halt. Und wenn ich diese kleine Delle damals in meiner linken Brust nicht ernst genommen hätte und nicht sofort zum Arzt gegangen wäre, könnten wir hier heute vielleicht nicht miteinander sprechen – weil es mich nicht mehr gäbe.
Wie geht es dir heute? Musst du noch oft an die schwere Zeit denken?
Diese antihormonelle Therapie und meine Narbe an der linken Brust sind die einzigen Dinge, die mich jeden Tag an meine Brustkrebserkrankung erinnern. Ansonsten geht es mir super. Ich arbeite wieder ganz normal, treibe viel Sport, ernähre mich gesund. Alkohol und Zigaretten waren noch nie wirklich mein Ding, große Risikofaktoren gibt es bei mir also nicht. Außerdem hat unser kleiner Sohn vor Kurzem noch einen Bruder bekommen. Meine Frau und ich erleben also gerade eine großartige und spannende Zeit (lacht). Seit meiner Krebserkrankung weiß ich umso mehr, wie kostbar die Zeit mit Frau und Kindern ist und wie viel Glück ich in meinem Leben hatte!