Gar nicht so selbstverständlich: gesunder Schlaf
Immer mehr Menschen in Deutschland leiden unter Schlafstörungen. Inzwischen ist der Großteil der Erwerbstätigen davon betroffen, und das sind nicht nur Kolleginnen und Kollegen, die im Schichtdienst arbeiten oder viel reisen müssen. Immer häufiger trifft man auf Menschen in Familie oder Job, die ständig müde, antriebslos und sehr gereizt ihr Arbeits- und Privatleben bestreiten. Und das zum Teil schon seit mehreren Monaten oder sogar Jahren. Doch woher kommt das und was kann man dagegen tun? Wer dauerhaft unter Schlafstörungen leidet und diese allein nicht abstellen kann, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen.
Nehmen Sie Schlafstörungen nicht auf die leichte Schulter!
„Schlaf dich einfach mal aus, dann geht`s dir morgen wieder besser!“ Wie leicht geht uns dieser Ratschlag über die Lippen – aber stimmt das auch so? Und ob: Der Schlaf ist von zentraler Bedeutung für unsere Entspannung, Erholung und Regeneration. Ohne Schlaf würde Vieles nicht funktionieren, denn im menschlichen Körper ist nachts richtig viel los: Das Immunsystem wird aktiviert, Giftstoffe werden ausgeleitet, Stoffwechselprodukte abgebaut, Muskeln regeneriert, Haut und Haare wachsen nach, Wunden heilen, das Gehirn verarbeitet die Tageserlebnisse und die Psyche erholt sich.
Doch ganz so einfach ist es nicht: Sich hinzulegen, einzuschlafen und am nächsten Morgen frisch und erholt aufzuwachen – davon können in Deutschland leider viele Menschen nur träumen. Laut aktuellen Daten leiden 30-50 Prozent der Bevölkerung und sogar 80 Prozent aller Erwerbstätigen unter Schlafstörungen. Schlafforscher und -mediziner bezeichnen damit Zustände, die einen Menschen daran hindern, erholsam zu schlafen.
„Volkskrankheit“ Insomnie
Bundesweit bilden Menschen mit Ein- und Durchschlafstörungen, den so genannten Insomnien, die größte Gruppe der Betroffenen. Die akute Variante kennt sicherlich jeder von uns: Immer dann, wenn wir uns intensiv mit einem Problem beschäftigen, schlafen wir schlecht. Die Folgen liegen auf der Hand: Wir sind müde, gereizt, kaum konzentriert, unsere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab. Akut handelt es sich dabei zum Glück nur um eine Phase, die spätestens nach ein paar Wochen endet.
„Das eigentliche Thema sind die chronischen Insomnien“, erklärt Dr. Michael Weber, Chefarzt der Klinik für Pneumologie und verantwortlicher Leiter des Schlaflabors am Klinikum Lippe. „Hiervon sind vor allem Menschen betroffen, die zum Grübeln und Problematisieren neigen“, so der Experte: Die Betroffenen erwarten schon gar nicht mehr, gut zu schlafen, schauen nachts immer wieder auf die Uhr, überprüfen, wie lange sie noch schlafen könnten oder vergeblich versucht haben einzuschlafen.
Interessanterweise findet sich die chronische Ausprägung viermal häufiger bei Frauen als bei Männern, und nicht selten mündet diese Form der Schlafstörung in eine Depression. Ein Ausweg ist in der Regel nur über eine Verhaltenstherapie möglich. Hier lernen die Patienten, ihre negativen Verknüpfungen mit dem Schlaf durch positive zu ersetzen, etwa durch Entspannungstechniken, Einschlafrituale und die bewusste Bearbeitung von Problemen vor dem Einschlafen, sogar vor dem Betreten des Schlafzimmers.
Wenn Schlafmangel gefährlich wird
Ursachen für dauerhafte Schlafstörungen sind aber nicht nur psychische Belastungen oder Stress, sondern zum Beispiel auch schlafbezogene Atemstörungen, die so genannten Apnoen. Bei den Betroffenen kommt es während des Schlafes wiederholt zu Atemstillständen und/oder einer Minderbelüftung der Lunge. Die Patienten leiden an einer ausgeprägten Tagesschläfrigkeit und schlafen immer wieder und überall zwanghaft ein – was mitunter nicht nur peinlich, sondern auch sehr gefährlich sein kann: Denken wir nur an das Einnicken im Kunden-Meeting oder den Sekundenschlaf im Auto. Drei bis 15 Prozent der Bevölkerung leiden an diesen Schlafapnoen, wobei die Ursachen nicht in jedem Fall geklärt werden können.
Die am häufigsten vorkommende obstruktive Schlafapnoe wird durch eine Blockierung des Kehlkopfes durch das Zurückfallen der Zunge verursacht. Der klassische betroffene Patient ist männlich, älter als 50 Jahre, übergewichtig und Schnarcher. „Insgesamt sind doppelt so viele Männer wie Frauen betroffen und vereinzelt auch junge, schlanke Menschen“, erläutert Dr. Michael Weber. „Menschen mit Schlafapnoen sind die typischen Patienten, die wir im Schlaflabor untersuchen.“ Diese kommen mit einem Befund vom niedergelassenen Haus-, HNO- oder Lungenfacharzt zur weiteren Abklärung nach Lemgo. Hier werden sie umfangreich „verkabelt“ und mit Kameras überwacht, um möglichst viele Informationen über den Schlaf zu gewinnen.
„Erst wenn wir genau wissen, warum ein Patient schlecht schläft, können wir ihn therapeutisch genau einstellen“, führt der Schlafmediziner weiter aus. Und das ist entscheidend, denn das Verschließen des Kehlkopfes ist ein ernstzunehmender Risikofaktor für die Entstehung von Bluthochdruck und weiteren Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Demnach kann ein unbehandeltes Schlafapnoe-Syndrom schwerwiegende Langzeitfolgen haben: „Diese Patienten haben ein noch höheres Risiko, im Alter einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden“, weiß der Pneumologe und Schlafmediziner Dr. Michael Weber.Als Standardtherapie stehen den Patienten eine Atemmaske und ein Gerät zur Verfügung, das einen permanenten Überdruck erzeugt und so die Atemwege im Schlaf freihält: Der Patient atmet regelmäßig und kann ruhig und erholsam schlafen (CPAP-Therapie = continuous positive airway pressure).
Goldene Regeln für gesunden Schlaf
Wir können es nicht erzwingen, schnell einzuschlafen und erholt wieder aufzuwachen und sollten den Ursachen von Schlafstörungen auf den Grund gehen. Wenn keine organischen oder funktionellen Beeinträchtigungen vorliegen, kann sich jeder ganz einfach ein gesünderes Schlafverhalten aneignen, indem er zum Beispiel folgende Regeln beherzigt:
- Stressoren entfernen: Fernseher, Laptop, Smartphone & Co raus aus dem Schlafzimmer
- Klarheit schaffen: Schlafzimmer sollte nicht gleichzeitig Arbeitszimmer sein
- Temperatur überprüfen: ideal sind 16-18°C
- Abends Verzicht üben: weder Alkohol noch schweres bzw. zu viel Essen sind schlaffördernd
- Bewusst „Runterkommen“: keinen Sport oder Leistungssport am Abend
- Kaffeegenuss einschränken: koffeinhaltige Getränke nur bis 13 Uhr zu sich nehmen