Ich bin dann mal vegan! Redakteur Dennis im veganen Selbstversuch.
Wie heißt es so schön? Fleisch ist sein Gemüse! Oder besser gesagt: war. Fitmacher-Redakteur Dennis streicht für eine Woche alle tierischen Produkte vom Speiseplan – und verzichtet auf Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Co. Ein veganer Selbstversuch.
Meine Henkersmahlzeit besteht aus einem saftigen, zarten Steak mit Rosmarinkartoffeln. Und das schmeckt so gut wie lange nicht mehr. Denn ab morgen ist es vorbei mit dem Leben, das ich kannte. Morgen reise ich in eine fremde Welt. Wo Tiere höchstens gestreichelt und nicht mehr gegessen werden. In eine Welt, wo weder Milch noch Honig fließen. In die Welt der Veganer.
Warum ich das tue? Ganz einfach: Ich mag Herausforderungen und bin schon von Berufs wegen neugierig. Außerdem sprießen in meinem Umfeld immer mehr Pflanzenesser aus dem Boden. Da sind Freunde, die mir abends von der leichten veganen Küche vorschwärmen. Sportler, die meinen, nicht mehr so schnell aus der Puste zu kommen. Und natürlich sehe ich auch die perfekt ausgeleuchteten Essen veganer Food-Blogger, mit kunstvoll arrangierten Buddha-Bowls und ausgefallenen Pasta-Kreationen. Also dachte ich mir: Warum nicht? Ich ernähre mich eine Woche rein pflanzlich. Was soll da schon passieren?
Die veganen Grundlagen checken
Bevor ich mich ins vegane Abenteuer stürze, muss ich erst einmal die Grundlagen verinnerlichen. Klar, Veganer essen kein Fleisch, keine Eier und Milchprodukte. Auch Honig bleibt sieben Tage tabu. Leuchtet ein. Doch das ist längst nicht das Ende der Fahnenstange, wie mir Recherchen schmerzlich vor Augen führen. Weil in vielen Fruchtgummis und Kaugummis tierische Gelatine steckt und Süßigkeiten oft mit Schellack überzogen werden, muss ich mich auch wohl oder übel von liebgewonnenen Zuckerbomben verabschieden.
Halt Stopp, was ist Schellack, fragen Sie sich vielleicht. Dann geht es Ihnen wie mir. Für ein Kilo dieses ominösen Überzugsmittels für Schokolade benötigt man das Sekret von 300.000 Lackschildläusen. Aha. Mit diesem bahnbrechenden und unnützen Wissen im Gepäck werfe ich einen Blick in den Kühlschrank. Drei Eier sind noch da. Die sind aber auch noch nächste Woche haltbar. Genauso wie die Packung Kuhmilch. Die beiden Fruchtjoghurts gehören meiner Freundin. Die lebt vegetarisch, aber nicht vegan – und wird dafür in den nächsten Tagen neidische Blicke ernten.
Tag 1: Mein veganer Einkauf
Good Morning, Vegan! Wie heißt es noch gleich? Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das heißt in meinem Fall: Bevor es an den Frühstückstisch geht, geht es in den Bio-Markt um die Ecke. Und als ich meinen Einkaufswagen durch die Gänge schiebe, merke ich: Links und rechts türmen sich Regale mit veganen Produkten auf – von der Tofu-Wurst und dem Veggie-Schnitzel über vegane Butter und Schokoriegel bis hin zu dutzenden Milchalternativen aus Reis, Kokos, Soja und so weiter, und so fort. Nachdem ich mich kreuz und quer durch den Geschmacksrichtungs-Dschungel gekämpft und gekauft habe, wird es Zeit fürs Frühstück: Haferflocken – aber: mit Mandelmilch statt Kuhmilch. Schmeckt nussig-leicht, aber auch etwas wässrig. Geht so.
Dafür muss ich mich fürs Mittagessen nicht umstellen: Wie sooft in den letzten Homeoffice-Wochen kommt der Suppentopf auf den Herd. Ich liebe Suppen, weil sie gesund und schnell zubereitet sind, sattmachen und einen nicht ins Fresskoma befördern. Und damit ich nicht mehr an die Zubereitung des Abendessens denken muss, koche ich gleich zwei Portionen mehr. Eine gesunde Notration sozusagen, mit der vermutlich selbst Großfamilien bequem durch Krisenzeiten kommen würden.
Tag 2: Wer liefert denn hier vegan?
An meine geliebten Haferflocken kommt keine Mandelmilch mehr ran. Also probiere ich es heute mit Hafermilch – und bin positiv überrascht: Die kommt verdammt nah ran an Kuhmilch, schmeckt süßlich-mild und nicht so wässrig wie Mandelmilch. Und: Sie macht sich super im Guten-Morgen-Kaffee. Auf dem Mittagstisch landen Pellkartoffeln mit veganem Kräuterquark, der ebenfalls aus Mandeln besteht und schön cremig schmeckt.
Weil wir keine Zeit finden, den Kochlöffel zu schwingen, übernimmt das Abendessen der Lieferdienst mit dem rot-kostümierten Superhelden. Da gibt es nur ein Problem: Wir wohnen in keiner Metropole. Bei uns gelten Veganer noch als seltsame Naturphänomene, denn pflanzliche Speisen lassen sich gefühlt an einer Hand abzählen. Viel Kopfzerbrechen und eine Stunde später genieße ich ein leckeres Curry vom Inder: mit Reis, Kichererbsen, frischem Ingwer, Karotten – und, natürlich, ohne Huhn.
Immer mehr Veganer in Deutschland
Auch in Deutschland ist die pflanzliche Ernährung inzwischen weit verbreitet. Etwa sechs Millionen Menschen ernähren sich vegetarisch und verzichten auf Fleisch. 600.000 Veganer hingegen gehen noch einen Schritt weiter: Sie vermeiden neben Fleisch auch alle weiteren Produkte tierischer Herkunft wie Eier, Fisch und Milchprodukte. Die meisten Veganer entscheiden sich für diesen Weg, um etwas Gutes fürs Tierwohl, Klima und ihre Gesundheit zu tun.
Tag 3: Veganer Aufstrich statt Mett
Nach dem obligatorischen Haferflocken-Hafermilch-Frühstück suche ich den Bäcker meines Vertrauens auf, um mich mit einer vollgepackten Brötchentüte für den Rest des Tages zu wappnen. Meine Lieblingsbeläge wie Käse, Lachs und Thunfischcreme oder gar Mett kommen aus besagten Gründen nicht infrage. Dafür mache ich in der Drogerie einige tolle Entdeckungen: Aus dem Lebensmittelregal blinzeln mich viele köstlich aussehende Aufstriche an. Ich nehme zwei Gläschen Humus und Tomate-Basilikum mit nach Hause.
Tag 4: Ist Wein vegan?!
„Ist Wein eigentlich vegan?“ Kurze Zeit, nachdem ich das meine Freundin fragte, zerstörte mein Kompagnon Google alle zarten Hoffnungen. Wein ist zwar ein ein pflanzliches Produkt. Aber: In der Regel kommt die Erzeugung der edlen Tropfen nicht ohne Hühnereiweiß, Milchprodukte oder tierische Gelatine aus. Es gibt veganen Wein, mein Exemplar aber gehört zur nicht-veganen Fraktion. Ein klassischer „Dödöm-Moment“.
Immerhin gibt es ein Trostpflaster: In der Drogerie habe ich gestern vegane Schokoriegel entdeckt. Die schmecken echt lecker – und bilden die perfekte Nachspeise zu den Vollkornnudeln mit Tomatensoße.
Tag 5: Mein Fleisch ist aus Gemüse
Hätte mir das jemand vor einigen Wochen prophezeit – ich hätte ihn für verrückt erklärt. Aber es ist wirklich so. Es hilft kein Herumdrucksen. Heute brate ich zum ersten Mal in meinem Leben Würstchen, die wie Würstchen aussehen, eigentlich aber keine Würstchen sind. Die Konsistenz der Tofu-Würstchen ist gummiartig, und auch der Geschmack haut mich nicht vom Hocker. Mir ist das irgendwie … zu trocken. Aber, das habe ich schon als Kind gelernt, mit Ketchup geht alles. Und mit einer großzügigen Prise Currypulver schmeckt die Wurst, die eigentlich gar keine Wurst ist, sogar ganz okay. Als Beilage gibt es einen Salat mit frischen Zutaten vom Markt: Tomaten, Paprika, Brokkoli und Oliven.
Das ist nicht vegan
- Fleisch, Fisch und Eier
- Milcherzeugnisse wie Kuhmilch, Käse, Joghurts, Quark, Schokolade und Proteinpulver
- Bienenerzeugnisse wie Honig und Bienenwachs
- Wein, für den Hühnereiweiß, Milchprodukte oder tierische Gelatine verwendet werden
- Kaugummis, Fruchtgummis und Desserts sind nicht vegan, wenn Bienenwachs oder Schellack für den Überzug oder Karmin als roter Farbstoff zum Einsatz kommen
Tag 6: No milk today!
Bisher habe ich gar nicht so wirklich auf dem Schirm gehabt, wie viel Käse, Quark und Joghurts ich verdrücke. Sicher: Auch Fleisch fehlt mir, weil es ein- bis zweimal in der Woche die Hauptrolle meines Abendessens spielt. Aber ich kann nicht sagen, mich ohne Fleisch hungriger zu fühlen. Ich lade mir einfach mehr Reis, Nudeln oder Kartoffeln auf den Teller, mache mir einen Salat und dann geht das schon. Die Summe aller fehlenden Puzzlestücke aber gibt den Ausschlag: Eier, Käse und auch Fleisch sind einfach nicht eins zu eins zu ersetzen. Und wenn man alle Sachen gleichzeitig vom Speiseplan streichen muss, benötigt man für die Essenszubereitung doch einiges an Gehirnschmalz.
Tag 7: Das Ende ist nah
Es ist der letzte Tag meines Selbstversuchs und in der Euphorie, bald wieder alles verputzen zu dürfen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, springt mein Herz. Zum Mittag koche ich mir eine Kürbissuppe und gebe Möhren und Paprika hinein. Und weil ich eh schon dabei bin, schnipple ich einige davon zu Gemüsesticks zurecht, die mich zusammen mit einem Apfel und einer Banane über den langen letzten Tag retten. Abends belegen wir den Pizzateig mit Spinat, Pilzen, Knoblauch und lassen sie uns vor dem Fernseher schmecken. Als Nachtisch gibt es vegane Gummibärchen ohne Gelatine. Es gibt eben fast alles. Man muss nur richtig hinschauen beim Einkauf!
Fazit meiner Vegan-Challenge
Eine Woche ohne tierische Produkte – und ganz ehrlich? Es wäre auf Dauer nichts für mich. Bestimmt fühlt man sich leichter, wenn man den fettigen Schweinebraten hin und wieder durch Gemüseauflauf ersetzt. Und angesichts diverser Schreckensmeldungen aus Schlachtbetrieben kaufe ich schon länger kein Billigfleisch. Ganz entsagen möchte ich der Fleischeslust aber nicht. Fleisch wird weiter auf meinem Teller landen, bewusst und mit Genuss an ein bis zwei Tagen in der Woche. Das gilt übrigens auch für Lachs oder Thunfisch, wo ich immer aufs MSC-Siegel achte: ein Zertifikat für nachhaltigen und umweltschonenden Fang.
Viele unscheinbare Lebensmittel sind nicht vegan
Zu Beginn ist mir nicht klar gewesen, wie viel Tier in vermeintlich unscheinbaren Lebensmitteln steckt. Gleichzeitig bin ich überrascht über die vielen veganen Produkte im Supermarkt. Zwar dürfte das Tofu-Experiment das letzte in meiner Essenskarriere sein – beim ein oder anderen veganen Aufstrich bin ich aber auf den Geschmack gekommen.
Am Ende kann ich beide Seiten verstehen: Die Veganer, die sich den Tieren und der Umwelt zuliebe so ernähren, wie sie sich ernähren. Und auch die bewussten Allesesser, zu denen ich mich zähle, und die ein gutes Stück Fleisch, Fisch und Eier zu schätzen wissen. Zumal beide Seiten etwas gemeinsam haben: Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung leben sowohl Veganer als auch Menschen, die wenig Fleisch essen, sehr gesund.