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Datum:09.04.2024 - Kategorie:Familie
Lesedauer:ca. 18 Min.

Künstliche Befruchtung: die Methoden der Kinderwunschbehandlung

Künstliche Befruchtung – immer mehr Männer und Frauen sind von eingeschränkter Fruchtbarkeit betroffen. Pro Jahr nehmen deshalb 100.000 Paare allein in Deutschland eine Kinderwunsch-Behandlung in Anspruch. Welche Methoden der künstlichen Befruchtung es gibt und worauf es ankommt, erfahren Sie im Artikel.

Svenja Reuter (29, Name geändert) hatte früh das Gefühl, dass bei ihr und ihrem Mann Matthias (33, Name geändert) etwas nicht stimmt und sie Schwierigkeiten haben würden, ein Kind zu bekommen. Als sich 1,5 Jahre lang keine Schwangerschaft einstellte, vereinbarten sie einen Termin im Bielefelder Kinderwunsch-Zentrum „Bielefeld Fertility Center“ und zogen eine Künstliche Befruchtung in Erwägung. Die Voruntersuchungen ergaben bei ihr zunächst keine Auffälligkeiten, ihr Mann produzierte jedoch auffallend wenige Spermien.

„Eingeschränkte Fruchtbarkeit ist ein zunehmendes Problem der Gesellschaft“, sagt Dr. Wiebke Rübberdt, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Reproduktionsmedizinerin am Bielefelder Kinderwunsch-Zentrum Bielefeld Fertility Center. Sie begleitet Paare mit unerfülltem Kinderwunsch von den ersten Untersuchungen und der Antragstellung bei der Krankenkasse über den gesamten Ablauf bis zum hoffentlich positiven Schwangerschaftstest zwei Wochen nach der künstlichen Befruchtung. Das kann wenige Monate, aber auch Jahre dauern. Auch die Reuters hat Dr. Rübberdt begleitet.

Was ist eine künstliche Befruchtung?

Bei der künstlichen Befruchtung oder auch assistierten Reproduktion handelt es sich um eine Therapiemöglichkeit im Rahmen der Kinderwunsch-Behandlung, wo befruchtungsfähige Eizellen der Frau außerhalb des Körpers mit dem Samen des Mannes befruchtet werden und der fertige Embryo in die Gebärmutter eingesetzt wird. Das heißt alles, was normalerweise im Eileiter passiert – insbesondere die Befruchtung des Eis durch das Spermium – passiert außerhalb des weiblichen Körpers im Labor.

 

Welche Methoden der künstlichen Befruchtung gibt es?

Intrauterine Insemination

Bei der Intrauterinen Insemination wird der männliche Samen, nachdem er aufgearbeitet wurde, mit einem Katheter in die Gebärmutter der Frau übertragen. Der Samen muss dann trotzdem noch in den Eileiter zur Eizelle und diese dort befruchten, d.h. die Befruchtung läuft auf natürlichem Wege ab. Künstlich ist in dem Falle nur die Übertragung des Samens in die Gebärmutter. Wird der Samen des Partners verwendet, handelt es sich um eine homologe Insemination. Wird Fremdsamen verwendet, handelt es sich um eine heterologe Insemination.

In-Vitro-Fertilisation

Bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder auch In-vitro-Befruchtung ist der Ablauf folgendermaßen: Die Behandlung beginnt mit einer Stimulationsbehandlung mit Hormonen, die mehrere Eizellen zum Wachsen bringen sollen. Gleichzeitig unterdrücken weitere Hormone einen vorzeitigen Eisprung.

Die befruchtungsfähigen Eizellen werden durch einen kleinen operativen Eingriff, die Follikelpunktion, entnommen. Im Reagenzglas werden die entnommenen Eizellen dann mit den aufgearbeiteten Spermien des Mannes zusammengebracht. Das einzelne Spermium dringt von selbst in die gewonnene Eizelle ein, d.h. die erfolgreiche Befruchtung läuft auch hier wie auf natürlichem Wege ab. Dieses Verfahren wählt man, wenn die Spermienqualität gut ist und es andere Gründe für eine künstliche Befruchtung gibt wie den Eileiterverschluss. Am Ende dieser IVF-Behandlung wird die befruchtete Eizelle wieder in die Gebärmutter eingesetzt.

Die IVF wurde das erste Mal 1978 erfolgreich angewendet. Sir Robert Edwards erhielt dafür 2010 den Nobelpreis. Seitdem ist die IVF stetig weiterentwickelt worden.

Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Die Weiterentwicklung der In-vitro-Fertilisation (IVF) ist die sogenannte Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Hierbei erweitert sich der Ablauf, indem Biologen mit einer kleinen, feinen Nadel das einzelne Spermium direkt in die gewonnene Eizelle einsetzen. Das wird bei eingeschränkter Spermienqualität durchgeführt, wenn das Spermium nicht selbst in die Eizelle eindringen kann. Hiermit werden circa 80 Prozent der entnommenen Eizellen befruchtet. Alles, was vorher und hinterher passiert, ist genau wie bei der In-vitro-Fertilisation (IVF).

Der Unterschied liegt lediglich bei dem, was im Labor passiert. Die Biologen wählen die Spermien aus nach bestimmten Kriterien wie Aussehen und Beweglichkeit und setzen das einzelne Spermium unter dem Mikroskop direkt in die befruchtungsfähige Eizelle ein. Schon am nächsten Tag ist erkennbar, ob die Befruchtung erfolgreich war. Die befruchtete Eizelle wird in der Regel nach drei bis fünf Tagen wieder in die Gebärmutter eingesetzt. Überzählige befruchtete Eizellen können kryokonserviert (in flüssigem Stickstoff eingefroren) werden. Alle drei Methoden, die Intrauterine Insemination, IVF und ICSI, werden als assistierte Reproduktion bezeichnet. 

Die In-vitro-Maturation machen wir bei Patientinnen, bei denen wir große Probleme mit der Eizellreifung haben.

In-vitro-Maturation

Bei der In-vitro-Maturation ist der Ablauf ähnlich wie bei den anderen Verfahren (IVF und ICSI), nur werden die Eizellen unreif entnommen und reifen im Reagenzglas weiter. „Das machen wir bei Patientinnen, bei denen wir große Probleme mit der Eizellreifung haben“, sagt Dr. Rübberdt. Manchmal sind die entnommenen Eizellen nicht brauchbar, weil sie sich nicht weiterentwickelt haben und unreif sind. Das stellt ein großes Problem dar, wenn es so passiert. Zum Glück komme das nicht häufig vor, sagt Dr. Rübberdt. In so einem Fall kann man eine In-vitro-Maturation durchführen, bei der man die Eizellen bewusst unreif entnimmt und versucht, sie im Reagenzglas weiter reifen zu lassen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine künstliche Befruchtung?

Der richtige Zeitpunkt ist dann, wenn ein unerfüllter Kinderwunsch besteht und es einen medizinischen Grund für eine künstliche Befruchtung gibt. Zeitlich gesehen ist der beste Zeitpunkt dann, wenn die Frau am fertilsten ist, also die beste Zeit ist, eine Schwangerschaft zu erzielen. Das ist zwischen 25 und 35. Danach wird es schwieriger, die Schwangerschaftsrate nimmt in Abhängigkeit zum Lebensalter ab. Aber es hängt natürlich davon ab, wann die Frau einen Kinderwunsch hat.

Die Samenübertragung in die Gebärmutter (Insemination) setzt voraus, dass die Frau einen Eisprung hat. Der behandelnde Arzt beobachtet und unterstützt diesen Eisprung medikamentös, sodass im besten Falle auch nur ein Eibläschen ausreift und es nur einen Eisprung gibt. Der wird durch ein bestimmtes Medikament ausgelöst. Um diesen Eisprung herum, idealerweise kurz vor dem Eisprung, werden die Spermien in die Gebärmutter übertragen. 

Wie läuft eine künstliche Befruchtung ab?

Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) und der Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) teilen Experten den Ablauf der künstlichen Befruchtung in drei Phasen.

  1. Die Behandlung beginnt mit der Phase der ovariellen Stimulation, in der die Patientin durch eine Spritzentherapie die Eizellen zum Wachsen bringt.
  2. Dann kommt bei beiden Verfahren die Entnahme der Eizellen während eines kleinen operativen Eingriffs per Follikelpunktion.
  3. Was dann passiert, unterscheidet sich zwischen den beiden Verfahren In-vitro-Fertilisation (IVF) und ICSI wie geschildert. Danach werden der oder die Embryonen in die Gebärmutter transferiert, wo sich der Embryo einnistet. Ein Schwangerschaftstest kann 12 bis 14 Tage nach Entnahme der Eizellen durchgeführt werden und liefert hoffentlich ein positives Ergebnis.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer künstlichen Befruchtung schwanger zu werden?

Das Deutsche IVF-Register liefert sehr gute Durchschnittswerte. Die Kinderwunschzentren in Deutschland speisen dort ihre Daten, ihre erfolgreichen Schwangerschaften und ihre Zyklen ein. Einmal im Jahr wertet das Deutsche IVF-Register sie aus und veröffentlicht sie. In Deutschland liegt der durchschnittliche Erfolg bei ca. 30 Prozent pro Embryotransfer. Das Bielefeld Fertility Center erreicht sogar eine durchschnittliche Schwangerschaftsrate von 41 Prozent. Die Rate schwankt sehr von Zentrum zu Zentrum.

Führe man bei einer 25-jährigen gesunden Frau einen Embryo-Transfer mit einem perfekten 5 Tage alten Embryo durch (Blastozyste), erreiche man durchaus auch Schwangerschaftsraten von 55 Prozent. Ob eine Schwangerschaft eintritt, ist ganz entscheidend abhängig vom Alter der Frau sowie von ihrem Gesundheitszustand. Gibt es Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen oder Gerinnungsstörungen? Das sind die Faktoren, die den Erfolg beeinflussen. Neben Lifestyle-Faktoren wie Über- oder Untergewicht und Rauchen. Das sind alles Faktoren, die eine große Rolle spielen, ob mit einer künstlichen Befruchtung eine Schwangerschaft erzielt wird.

Die Schwangerschaftsrate beim natürlichen Zyklus schwanger zu werden liegt dagegen bei einer ganz jungen Frau bei 20 bis 25 Prozent und sinkt dann im Laufe der fertilen Phase drastisch auf 15 Prozent und darunter. Die Rate ist in jedem Fall deutlich geringer, als man mit einer künstlichen Befruchtung erreichen kann.

Wie oft klappt es beim ersten Mal bei der künstlichen Befruchtung?

Statistisch in Deutschland durchschnittlich bei ca. 30 Prozent. In Abhängigkeit vom Zentrum sind die Chancen auch deutlich höher, beim Bielefeld Fertility Center im Schnitt bei 41 Prozent und je nach Alter der Frau und Form der Kultur durchaus auch bei 45 Prozent Schwangerschaftserwartung gleich beim ersten Mal.

Die Erfolgsrate ist insbesondere abhängig vom Alter der Frau. Mit zunehmendem Lebensalter der Frau sinkt die Schwangerschaftserwartung und steigt die Fehlgeburtenrate nach einer künstlichen Befruchtung. Weiterhin ist der Erfolg auch abhängig vom Alter des Mannes. Man weiß, dass es Spermien bis ins hohe Lebensalter gibt. Ihre Qualität und biologische Kompetenz nimmt jedoch auch mit zunehmendem Lebensalter des Mannes ab.

Künstliche Befruchtung – nach zwei Jahren endlich die ersehnte Schwangerschaft

Nach einer zweiten ICSI und dritten gescheiterten assistierten Reproduktion begab sich Dr. Rübberdt auf Ursachenforschung. Bei Reuter wurde eine Blutgerinnungsstörung aufgrund einer Auto-Immunerkrankung festgestellt. Weitere Untersuchungen ergaben ein überaktives Immunsystem, wodurch Svenja Reuters Körper die Eizellen abstößt. Sie nahm Cortison, um ihr Immunsystem und damit die Abstoßungsreaktion zu unterdrücken. Für den 7. und letzten Transfer nahm sie am Ende viele Medikamente, um die Einnistung zu ermöglichen. Und es klappte. Nach zwei Jahren der Wechselbäder von Hoffen, Bangen, Trauern und wieder Hoffen war Svenja Reuter endlich schwanger.

Wie lange dauert es bei einer künstlichen Befruchtung, bis man schwanger ist?

Vom ersten Tag der Behandlung bis zum hoffentlich positiven Schwangerschaftstest sind es 28 bis 30 Tage, so wie im natürlichen Zyklus auch. Die Vorarbeiten, dass die Frau zur Diagnose kommt, die Anträge gestellt werden, können schon mal ein bis drei Monate dauern, manchmal auch länger. Je nachdem, wie schnell man entscheidet, dass eine künstliche Befruchtung geboten ist.

Die Hormonbehandlung beginnt in den meisten Fällen am 2. Zyklustag mit der Regelblutung. Es gibt aber auch Fälle, in denen sie im vorherigen Zyklus um den 21. Zyklustag beginnt. Das ist bei jeder Patientin abhängig vom Alter, der Eizellreserve sowie den Vorzyklen.

Es ist so ein Wunder, unsere Tochter zu haben.

Das Ehepaar Reuter will es später vielleicht noch einmal mit einer Künstlichen Befruchtung für ein Geschwisterchen probieren. Zwei eingefrorene befruchtete Eizellen haben sie noch. Den ganzen Aufwand mit unter Umständen mehreren ICSIs mit Hormonstimulation und Narkose möchte Svenja Reuter nicht noch einmal betreiben. Das Einsetzen der eingefrorenen Eizellen sei dagegen ja recht unkompliziert.

Sollte es nicht klappen, hätten sie und ihr Mann auch kein Problem damit, wenn ihre Tochter Einzelkind bliebe. Sie ist jetzt 1,5 Jahre alt. „Ich kann mir bislang nicht vorstellen, meine Liebe auf noch ein Kind zu teilen“, sagt Svenja Reuter. „Es war so schwierig, unsere Tochter zu bekommen. Und es ist so ein Wunder, sie zu haben.“

Dr. Wiebke Rübbert

Von Dr. Wiebke Rübbert

Dr. med. Wiebke Rübberdt ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Reproduktionsmedizinerin und gyn. Endokrinologin.

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