Narkose: Ich bin dann mal weg
Bei einer Vollnarkose spüren wir nichts. Unser Körper ist komplett betäubt. Anästhesie heißt diese künstlich herbeigeführte Bewusstlosigkeit in der Fachsprache und sie ist ein Segen der modernen Medizin.
Eine Bauchoperation ohne Vollnarkose? Zahnziehen ohne Betäubung? Für uns unvorstellbar! Die Kunst, unser Bewusstsein lahmzulegen und Schmerzen auszuschalten, wurde 1846 von einem Zahnarzt in den USA entdeckt: William Thomas Morton nutzte Ätherdämpfe, deren berauschende Wirkung er auf dem Jahrmarkt beobachtet hatte. Nach wenigen Atemzügen versinkt der Patient damit in einen tiefschlafähnlichen Zustand und er spürt auch kaum Schmerzen. Dass die Methode später auch in Europa Verbreitung fand, verdanken wir Queen Victoria. Sie brachte ihr achtes Kind unter Vollnarkose zur Welt.
Wie eine Vollnarkose funktioniert
Heute gibt es Spezialisten, die sich mit verschiedenen Formen der Narkose auskennen. Privatdozent Dr. Henning Stubbe zum Beispiel, Ärztlicher Direktor der Paracelsus-Klinik Osnabrück. Der Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin erläutert, wie eine Vollnarkose durchgeführt wird: »Man kombiniert verschiedene Medikamente so, dass sich die gewünschten Wirkungen gegenseitig verstärken und die Nebenwirkungen möglichst gering bleiben.« Sogenannte Hypnotika schalten das Bewusstsein aus. Mittel, die Muskeln erschlaffen lassen, werden ebenfalls eingesetzt und ganz wichtig: die Narkoseschmerzmittel (Analgetika). »In der Regel handelt es sich um sehr wirksame und gut steuerbare Abkömmlinge des Morphins, die sich an spezifische Andockstellen in Rückenmark und Gehirn festsetzen und dort die Weiterleitung von Schmerzsignalen hemmen«, so Stubbe.
Eine Vollnarkose ist heute also ein komplexes Verfahren. Der Narkosearzt (Anästhesist) führt sie durch. Unterstützt wird er von vielen medizintechnischen Geräten: Das Narkosegerät steuert die Atmung und die Zufuhr von Sauerstoff und Narkosemitteln. Gleichzeitig filtert es überschüssige Atemgase wie Kohlendioxid heraus. Weitere Geräte überwachen wichtige Körperfunktionen wie das Herz-Kreislauf-System. Manche Operationen dauern sehr lange und die Narkose wird dann immer wieder an die Bedürfnisse des Patienten angepasst. »Ein erfahrener Anästhesist weiß sehr genau, wann ein Patient weitere Narkosemittel braucht oder eher weniger gegeben werden sollten,« erklärt Stubbe.
Aufklärungsgespräch vor der Operation
Dennoch kann es zu unliebsamen Nebenwirkungen kommen. Sie sind aber seltener als früher. Typisch, aber harmlos, so versichert Stubbe, seien Übelkeit und Erbrechen – Symptome, die man mit Medikamenten verhindern oder mildern kann. Auch Muskelzittern und Kältegefühl können auftreten, verschwinden aber meist rasch. Besonders bei alten Menschen kann es nach einer Operation zu Gedächtnis- und Konzentrationsschwächen kommen. Die Ärzte sprechen dann von POCD (postoperative kognitive Dysfunktion). Wenn der Patient vor der Operation noch etwas gegessen hat, kann es allerdings lebensgefährlich werden, wenn Nahrung in die Lunge gelangt. Deswegen ist es so wichtig, nüchtern in die Operation zu gehen.
Und es ist wichtig, den Patienten vorher aufzuklären. In der Regel führt der Narkosearzt ein ausführliches Gespräch vor der Operation, bei dem er Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten abklärt und sich ein umfassendes Bild vom Patienten macht.
Die verschiedenen Formen der Narkose
Vollnarkose
Bei einer Vollnarkose wird das Bewusstsein für einen bestimmten Zeitraum ausgeschaltet.
Teilnarkose
Auch: Regionalanästhesie. Hier wird gezielt ein Körperbereich betäubt. Der Patient kann während der Operation entweder wach bleiben oder in einen Dämmerschlaf versetzt werden. Bei einer Beinoperation wird zum Beispiel eine „Rückenmarksspritze“ (Spinalanästhesie) gesetzt, die bewirkt, dass der Patient in der unteren Körperhälfte nichts mehr fühlt. Der Wirkstoff wird in die Rückenmarksflüssigkeit gespritzt.
PDA (Periduralanästhesie)
Eine Teilnarkose, die zum Beispiel bei Geburten und Kaiserschnitten eingesetzt wird. Dabei wird die Schmerzweiterleitung in den rückenmarksnahen Nervenwurzeln unterdrückt.
Örtliche Betäubung
Auch: Lokalanästhesie. Hier wird nur ein Teilbereich betäubt und das Schmerzempfinden für eine bestimmte Zeit ausgeschaltet. Die Spritze beim Zahnarzt gehört dazu. Auch zum Nähen einer Schnittwunde wird vorher örtlich betäubt.
Ambulante Anästhesie
Es gibt Narkoseärzte, die ambulant arbeiten. Sie kommen zum Operateur vor Ort, etwa bei einer aufwendigen Zahnoperation. Oder sie führen kleinere Operationen zusammen mit den Operateuren in einer eigenen Praxis durch. Der Vorteil für den Patienten: Er muss nicht ins Krankenhaus.