Wunden bei Kindern richtig versorgen
Schürf- und Platzwunden, Beulen oder Quetschungen: Kleine Wunden und Verletzungen sind beim Spielen und Toben schnell passiert und gehören zur Kindheit dazu. Viele von ihnen können Eltern zu Hause angemessen versorgen. Zwei Ärzte erklären, worauf sie dabei achten sollten.
Kinder verletzen sich schnell. Beim Fußballspielen stürzen sie und schlagen sich das Knie auf – Schürfwunde. Beim Toben im Wohnzimmer fallen sie vom Sofa – Beule. Oder sie treten am Strand barfuß in eine Glasscherbe – Schnittwunde. Aber wie versorgen Eltern die Wunden und Verletzungen richtig? Und wann sollten sie mit ihrem Kind einen Arzt aufsuchen?
Antworten darauf geben Dr. Sebastian Gaus und Mustafa El-Ahmer aus dem Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB). Sebastian Gaus leitet dort die Notaufnahme des Kinderzentrums, kurz NoKi, sein Kollege Mustafa El-Ahmer ist ärztlicher Leiter der Klinik für Kinderchirurgie. Tag für Tag begegnen ihnen Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Wunden und Verletzungen: Knochenfrakturen, Prellungen, Schnitt- oder Schürfwunden, Verbrühungen oder Verbrennungen.
„Die Art der Verletzungen ist saisonbedingt“, sagt Mustafa El-Ahmer. „Es ist schon auffällig, dass wir im Sommer, wenn die Kinder mehr draußen spielen, zunehmend Patienten mit Frakturen oder offenen Wunden aufnehmen“, ergänzt Gaus. „Im Sommer hat die Kinderchirurgie Hochkonjunktur. Während im Winter wegen der Infekte internistisch mehr los ist.“
Bei jüngeren Kindern kann schon eine kleine Wunde gefährlicher sein als bei älteren Kindern.
Wie gefährlich ist eine Wunde wirklich? Um das einschätzen zu können, sollten Eltern verschiedene Faktoren berücksichtigen, erklärt El-Ahmer. Was genau ist passiert? Wie groß ist die Wunde? Wie alt ist das Kind? „Bei jüngeren Kindern kann schon eine kleine Wunde gefährlicher sein als bei älteren Kindern.“ Wie ist der Allgemeinzustand? Ist das Kind gegen Tetanus geimpft oder nicht? Wo am Körper hat sich das Kind verletzt? Steckt noch ein Fremdkörper in der Wunde? Wie stark sind die Schmerzen? „Natürlich kann ein vier Jahre altes Kleinkind sich nicht so ausdrücken wie ein 13 Jahre alter Teenager“, sagt El-Ahmer und rät deshalb, junge Kinder lieber einmal mehr einem Kinderarzt oder in der Notaufnahme vorzustellen.
Allgemeine Tipps zur Wundversorgung
Bei offenen Wunden sollte direkt geklärt werden, ob das Kind noch gegen Tetanus geschützt ist. Ein Blick in den Impfpass hilft. Gegebenenfalls muss ein Arzt nachimpfen.
Bei sehr starken, pulsierenden Blutungen sollten Eltern sofort die 112 wählen.
Auch kleine Wunden sind infektionsgefährdet. Die Wundheilung sollte deshalb regelmäßig kontrolliert und beobachtet werden. Wird die Wunde dicker, treten Rötungen auf oder sie wird auffällig warm, können das Anzeichen für eine Infektion sein. Dann ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen.
Finger weg von „Hausmitteln“ wie Mehl, Öl, Honig oder Puder! „Ich habe schon alles gesehen: Zahnpasta, Kaffee oder Tomatensaft auf und in Wunden“, sagt El-Ahmer. „Bitte nicht! Solch behandelte Wunden können nur noch unter Narkose gereinigt werden.“
Generell gilt: Ist man sich unsicher, lieber einmal mehr den Kinderarzt oder die Notaufnahme aufsuchen.
Wunden im Gesicht sollten nach der Reinigung und Desinfektion zwei bis drei Tage lang beobachtet werden.
Schürfwunden
Schürfwunden gehören zum Kindsein dazu. Beim Toben kurz einmal nicht aufgepasst, schon ist das Kind gestolpert, fällt hin und schürft sich das Knie oder den Ellbogen auf. So eine Wunde ist schmerzhaft, kann aber von den Eltern gut zu Hause versorgt werden. „Befindet sich die Wunde an Brust, Bauch, Arm oder Bein und blutet nicht stark, kann sie vorsichtig gereinigt und desinfiziert werden“, sagt Mustafa El-Ahmer. Heikel wird es bei einer Wunde im Gesicht. „Diese sollte nach der Reinigung und Desinfektion zwei bis drei Tage lang beobachtet werden.“ Sieht die Wunde dann nicht besser aus, sollte das Kind einem Arzt vorgestellt werden, um eine Narbenbildung zu verhindern.
Schürfwunden werden am besten vorsichtig unter Leitungswasser ausgespült, ohne dass sie dabei berührt werden. Durch das Ausspülen werden Schmutzpartikel entfernt, die sonst die Infektionsgefahr erhöhen. „Das Wasser darf nicht zu kalt oder zu warm sein“, sagt Sebastian Gaus. „Und auf keinen Fall sollte man an der Wunde manipulieren, indem man sie zum Beispiel mit einem Waschlappen ausreibt.“ Desinfiziert wird am besten mit einem alkoholfreien und deshalb nicht brennenden Mittel.
Schnittwunden
Mit einem Messer in den Finger geschnitten oder sich an einer Glasscherbe verletzt – Schnittwunden treten häufig an den Händen auf. „Und das ist per se eine sensible Körperregion“, sagt Gaus. „Eltern können nie zu 100 Prozent beurteilen, ob Sehnen, Nerven oder Gefäße verletzt wurden“, warnt auch El-Ahmer. Besonders bei tiefen Schnittwunden „lieber einmal mehr zum Arzt gehen“, rät er deshalb. Wichtig: Das sollte innerhalb der ersten sechs Stunden nach dem Unfall geschehen. „Später können wir nicht mehr viel korrigieren und es können Wundheilungsprobleme auftreten.“ Und, ergänzt Gaus: „Je länger eine Wunde offen ist, desto größer ist die Gefahr einer Infektion.“
Kleinere Schnittwunden können wie eine Schürfwunde vorsichtig mit Wasser gereinigt und anschließend desinfiziert werden. Eine trockene Kompresse oder ein Pflaster stoppen kleinere Blutungen. Steckt ein Fremdkörper wie eine Glasscherbe noch in der Wunde, kann dieser vorsichtig herausgezogen werden. „Aber Vorsicht: Glas kann dabei auch brechen“, warnt El-Ahmer. Dann verbleibt etwas in der Wunde, das den Heilungsprozess erschwert.
Platzwunden
„Dass Kinder am Kopf eine Platzwunde haben, sehen wir täglich“, sagt Kinderchirurg El-Ahmer. Gerade an den Stellen, wo dünne Haut direkt über Knochen liegt – an der Stirn, am Kinn, am Knie – platzt die Haut leicht auf. Das sieht meist dramatisch aus, weil Platzwunden gerne stark bluten. Trotzdem sollten Eltern die Ruhe bewahren. „Platzwunden müssen nicht automatisch genäht oder geklebt werden.“ Sind die Wundränder glatt, können sie auch so verheilen. Dann reicht es, die Wunde zu reinigen und zu desinfizieren. Um die Blutung zu stoppen, sollte eine sterile Kompresse fest auf die Wunde gedrückt werden.
Verbrennungen und Verbrühungen
Kinderhaut ist empfindlich. Schon heißer Tee und Kaffee können zu schweren Verbrühungen führen. „Verletzungen durch heiße Getränke sind bei Kindern wesentlich häufiger als Verbrennungen“, sagt Gaus. Die betroffenen Hautstelle sollten sofort mit nicht zu kaltem Wasser (ungefähr 20 Grad Celsius) gekühlt werden. „Aber nur eine begrenzte Zeit und nicht länger als zehn Minuten“, betont Gaus. „Kinder sind anfällig für Auskühlung.“ Kollege Mustafa El-Ahmer empfiehlt zudem die sofortige Gabe von Schmerzmitteln, da diese Verletzungen sehr schmerzhaft sind.
Die Tiefe von Verbrennungen wird oft unterschätzt.
Verbrühungen und Verbrennungen werden je nach Tiefe der Schädigung in vier Grade eingeteilt. „Aber ihre Tiefe wird gerne unterschätzt“, warnt Gaus. „Laien, aber auch professionelle Helfer können sie nicht immer sofort beurteilen.“ Dabei hilft nur eine eingehende Untersuchung. Um zumindest die Ausdehnung in der Fläche abzuschätzen zu können, hilft die Handflächenbestimmung: Die Handfläche des Patienten entspricht einem Prozent der Körperoberfläche.
Beulen
Fast jedes Kind fällt mal vom Bett oder Sofa. Es bleibt im besten Fall nur eine Beule, die man direkt kühlen sollte. Das nimmt den Schmerz und verhindert eine stärkere Schwellung. Aber Vorsicht: „Kinder, die jünger als ein Jahr sind, sollten sofort einem Arzt vorgestellt werden, weil Frakturen oder eine Gehirnerschütterung nicht ausgeschlossen werden können“, rät El-Ahmer. Dasselbe gilt, falls bei älteren Kindern zusätzlich zur Beule Kopfschmerzen und gegebenenfalls auch Übelkeit auftreten.
Quetschungen
Aus Versehen ist der Finger zwischen Tür und Türrahmen geraten – so eine Quetschung tut weh. Da hilft zunächst nur kühlen und trösten. „Wer sicher gehen will, lässt den Finger einmal röntgen, um eine Fraktur auszuschließen“, sagt El-Ahmer.
Pflaster – ja oder nein?
Beim Wundpflaster scheiden sich die Geister. Die einen lassen Wunden lieber an der Luft heilen, die anderen wollen sie gerne abdecken und so vor Schmutz schützen. „Das muss man abwägen“, sagt Sebastian Gaus. „Durch ein Pflaster nehme ich mir immer die Möglichkeit, die Wunde jederzeit beurteilen zu können. Andererseits schütze ich die Wunde.“
Er schlägt einen Kompromiss vor: Direkt nach der Verletzung erst ein Pflaster verwenden, um eine Verunreinigung zu verhindern, und dann zeitnah, sobald die Wundheilung voranschreitet, auf das Pflaster verzichten, damit alles an der Luft heilen kann. „Das feucht-warme Milieu unter einem Pflaster ist für die Wundheilung nicht zuträglich“, erklärt er. „Aber natürlich muss man beobachten, ob das Kind die Wunde in Ruhe lässt, wenn kein Pflaster drauf ist.“