Trends auf dem Teller: Wie gesund sind Clean Eating, Paleo, Keto & Co.?
Ernährungstrends im Check
Das Thema Ernährung gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Während sich einige Trends schon seit Jahren etabliert haben, entwickeln sich auch immer neue, teils eigenwillige Ernährungskonzepte. Aber wie gesund sind die eigentlich? Wir haben mit Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gesprochen.
Clean Eating
Übersetzt bedeutet Clean Eating „reines oder sauberes Essen“. Fertigprodukte, Gerichte mit ungesunden Fetten, Farbstoffen und Geschmacksverstärkern sowie raffinierter Zucker und Fast Food werden komplett vom Speiseplan gestrichen. Auch Alkohol ist tabu. Stattdessen setzt der Ernährungstrend auf naturbelassene Lebensmittel. Erlaubt sind
- Gemüse,
- Obst,
- mageres Fleisch,
- Fisch,
- unbehandelte Milchprodukte,
- Nüsse.
- Kohlenhydrate (Vollkornprodukte).
- gesunde Fettsäuren (zum Beispiel aus Avocados, Raps- oder Olivenöl).
Anders als bei so manchem Trend geht es beim Clean Eating nicht unbedingt um Verzicht, sondern vielmehr um bewusstes Essen. Das Frühstück ist dabei die wichtigste Mahlzeit des Tages und statt drei großer Portionen sollte man lieber fünf bis sechs kleine Mahlzeiten über den Tag verteilen.
„Menschen versprechen sich vom Clean-Eating-Konzept nicht nur eine Gewichtsabnahme, sondern auch reinere Haut, weniger Kopfschmerzen, mehr Energie und eine bessere Konzentrationsfähigkeit“, weiß Ernährungswissenschaftlerin Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. „Der reichliche Verzehr naturbelassener, unverarbeiteter oder selbst zubereiteter Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Salat, Fleisch, Fisch und Vollkornprodukte entspricht grundsätzlich einer ausgewogenen Mischkost entsprechend den Empfehlungen der DGE“, so die Diplom-Ökotrophologin. Eine solche Ernährungsweise fördere die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit und könne ernährungsmitbedingten Erkrankungen wie etwa Adipositas oder Diabetes mellitus Typ 2 vorbeugen. Laut Donalies gebe es allerdings keine wissenschaftlichen Belege für Erfolge des Clean-Eating-Konzepts.
Keto
Die ketogene Diät ist eine auf Protein und Fett basierende Ernährung, bei der die Aufnahme von Kohlenhydraten auf ein Minimum reduziert wird. Durch diesen gewollten Mangel verändert sich der Stoffwechsel und gerät in die sogenannte "Ketose". Das bedeutet, dass der Körper zur Energiegewinnung nun Ketone und Fettsäuren statt Glukoseverbrennt. Damit dieser Prozess einsetzt, ist eine drastische Ernährungsumstellung nötig. Tabu oder nur in geringen Mengen erlaubt sind:
- Getreide,
- Hülsenfrüchte,
- Knollen- und Wurzelgemüse,
- zuckerhaltiges Essen,
- Obstsorten wie Bananen, Äpfel oder Ananas,
- Ungesunde Fette,
- Fertiggerichte,
- Alkohol.
Auf dem Teller landen stattdessen:
- Fleisch,
- Fisch,
- Milchprodukte,
- Eier,
- Nüsse,
- zuckerarme Obstsorten (etwa Himbeeren und Zitrusfrüchte),
- gesunde Öle (etwa Leinöl oder gutes Olivenöl),
„Wer sich für die ketogene Ernährung entscheidet, erhofft sich meist einen schnellen Gewichtsverlust beziehungsweise Fettabbau“, weiß Astrid Donalies. Die DGE stehe dem Konzept eher kritisch gegenüber – und das aus mehreren Gründen: „Wie bei jeder sehr einseitigen Ernährung steigt mit der starken Einschränkung in der Lebensmittelauswahl das Risiko für einen Nährstoffmangel.“ Dies gelte besonders für Nährstoffe, die hauptsächlich über die kohlenhydrathaltigen Lebensmittel (Vollkornprodukte, Gemüse, Obst etc.) aufgenommen werden: Vitamine und Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, aber auch insbesondere Ballaststoffe. „Denn Ballaststoffe sind ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Durch den geringen Ballaststoffanteil in der Ernährung können Darmbeschwerden wie Verstopfungen auftreten.“ Zudem seien manche Gewebe wie Gehirn, Herz und Nebenniere auf Glukose als Energielieferanten angewiesen. „Wenn diese nicht über die Nahrung zugeführt wird, muss sie aus körpereigenen Reserven wie Protein hergestellt werden. Ein übermäßiger Abbau von Körperprotein sollte allerdings vermieden werden.“ Zudem sei auch das Keto-Ernährungskonzept reich an tierischen Lebensmitteln, welche wiederum viele ungünstige gesättigte Fettsäuren und Cholesterin enthielten.
Paleo
Zurück in die Steinzeit – so lautet das Motto der paleolithischen Ernährung. Auf den Esstisch kommt dabei nur das, was es – vermeintlich – schon in der Steinzeit gab. Aber keine Sorge, niemand muss sich nun auf die Jagd nach Wollmammut oder Höhlenlöwe begeben. Stattdessen sind bestimmte Lebensmittel verboten:
- Zucker
- Nudeln
- Reis
- Kartoffeln
- Brot.
Erlaubt ist hingegen all das, was bereits vor Tausenden von Jahren auf dem Speiseplan unserer Vorfahren stand. Das sind zum Beispiel
- Eier,
- Fleisch,
- Fisch,
- Gemüse,
- Obst,
- Nüsse,
- Pilze,
- Honig.
Den täglichen und hohen Verzehr tierischer Lebensmittel sieht Donalies kritisch – nicht nur aus Gesundheits- sondern auch aus Umweltaspekten. „Mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche sollten es nicht sein. Ungünstig“, so die Ernährungswissenschaftlerin, „ist auch der völlige Verzicht auf Getreideprodukte, Hülsenfrüchte und Milchprodukte.“ So lieferten diese Nahrungsmittel nicht nur Ballaststoffe, B-Vitamine und Proteine, sondern seien auch wichtige Quellen für Calcium, Jod und Riboflavin. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass das Paleo-Konzept langfristig zu einem Nährstoffmangel führen könnte. Positiv hingegen sieht Astrid Donalies den Verzicht auf Zucker, Softdrinks, ungünstige Fette, Fastfood und hoch verarbeitete Lebensmittel. Der meist starke Gewichtsverlust scheint allerdings vor allem auf die niedrigere Energiezufuhr zurückzuführen zu sein.
Rawfood
Wer sich immer schon geärgert hat, zu viel Zeit am Herd zu verbringen, für den eignet sich vielleicht der Rawfood (Rohkost)-Trend. Verzichtet wird dabei nämlich auf alles, was über 42 Grad erhitzt wurde. Abgelehnt werden auch Lebensmittel mit künstlichen Zutaten wie Geschmacks- und Konservierungsstoffen. Auf den Tisch kommen, wie der Name schon vermuten lässt, vor allem
- rohes Gemüse,
- Obst,
- Säfte,
- Nüsse,
- Sprossen,
- Samen.
Manche Rohkost-Anhänger essen auch getrocknetes Fleisch, rohen Fisch und Rohmilchkäse. Die Vorteile dieses Trends liegen auf der Hand: Vitamine und andere wichtige Pflanzenstoffe werden nicht durch Kochvorgänge zerstört.
„Es gibt einige hitzeempfindliche Vitamine. Durch den Verzicht auf eine starke Erhitzung werden diese geschont“, erläutert Astrid Donalies den Vorteil der Rohkosternährung. Außerdem müsse man bei viel Rohkost sehr gut kauen. Das wirke sich positiv auf die Zahngesundheit aus. Ebenfalls für Rohkost spreche der im Vergleich mit verarbeiteten Lebensmitteln häufig niedrige physiologische Brennwert. „Das heißt, dass wir bei gleichem Sättigungsgefühl weniger Kalorien aufnehmen", weiß die Ernährungsexpertin und empfiehlt daher mindestens fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag. „Einige Gemüse- und auch Obstsorten sollten aber auf keinen Fall roh gegessen werden, da sie im unverarbeiteten Zustand unbekömmlich oder sogar giftig sind.“ Dazu gehörten etwa Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen oder Linsen. Aber auch Rhabarber, Auberginen und Kartoffeln sollten vor dem Verzehr unbedingt gegart werden. „Und bestimmte Nährstoffe werden erst durch das Erhitzen für den Körper besser verfügbar", erklärt Donalies. „Zum Beispiel das Beta-Carotin in Karotten". Ihr Fazit: „Rohkost in Form von Gemüse und Obst sollte Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung sein, aber nicht ausschließlich daraus bestehen“.
Sirtfood
Spätestens seit Sängerin Adele sich in den sozialen Medien rank und schlank präsentierte, sind Sirtfoods in aller Munde – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Mittelpunkt dieses Ernährungstrends steht das Protein Sirtuin, das beim Aufbau von Muskeln sowie bei der Verbrennung von Fett helfen soll. Und nicht nur das. Sirtuine sollen zudem das Immunsystem stärken und dabei helfen, Stress abzubauen, Heißhunger vorzubeugen und den Alterungsprozess zu verlangsamen. Um in den Genuss dieser positiven Effekte zu kommen, müssen allerdings täglich sirtuinhaltige Lebensmittel und Gewürze konsumiert werden. Auf der Einkaufsliste stehen deshalb besonders häufig etwa:
- Soja-Produkte,
- Buchweizen,
- Garnelen,
- Blaubeeren,
- Erdbeeren,
- Zitrusfrüchte,
- Grünkohl,
- Sellerie,
- grüner Tee,
- Kaffee,
- Zartbitterschokolade,
- Rotwein.
„Wissenschaftliche Belege zur Wirksamkeit dieses Ernährungstrends gibt es bislang nicht“, sagt Diplom-Oecotrophologin Astrid Donalies. „Vermutlich tritt der Gewichtsverlust eher durch das hohe Kaloriendefizit als durch die Wirkung der Sirtuine ein.“ Grundsätzlich sieht Donalies den Verzehr von nährstoffdichten Lebensmitteln wie Grünkohl, Beeren, Soja und Kräutern aber positiv. „Sie enthalten viele Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, so dass ein regelmäßiger Verzehr zu begrüßen ist.“
Superfood
Unter dem Begriff „Superfood“ werden Lebensmittel zusammengefasst, denen ein besonderer gesundheitlicher Nutzen nachgesagt wird. Meist tragen vor allem exotische Produkte wie Goji-Beeren, Quinoa und Chia-Samen diesen Beinamen. Sie sollen den Speiseplan ergänzen und werden besonders gerne von Fans des Clean-Eating-Trends verwendet. Superfood verfügt von Natur aus über große Mengen an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballaststoffen und Antioxidantien. Deshalb wird ihm ein positiver Effekt auf das Immunsystem und das körperliche Wohlbefinden nachgesagt. Das Problem am exotischen Superfood: Es ist meist teuer und muss einmal um die halbe Welt transportiert werden, um in den Regalen der heimischen Supermärkte zu landen. Zum Glück gibt es aber heimisches Superfood: zum Beispiel Brokkoli, Spinat und fast alle Beerenfrüchte.
Ernährungsexpertin Astrid Donalies findet: „Superfood kann den Speiseplan geschmacklich bereichern.“ Allerdings weist sie auch darauf hin, dass gesundheitliche Vorteile wissenschaftlich nicht nachgewiesen sind. Zwar enthielte Superfood viele Nährstoffe – jedoch nur dann, wenn sie in konzentrierter Form vorlägen. „Meist wird es nur in geringen Mengen verzehrt, wodurch die aufgenommene Menge bestimmter Nährstoffe nicht so hoch ist, wie es bei der Betrachtung der Nährwertangabe pro 100 g Lebensmittel scheint“, so Donalies. Dann habe Superfood im Vergleich zu heimischen Produkten keinen gesundheitlichen Mehrwert.
Vegan
Immer mehr Menschen entdecken den Veganismus für sich und verzichten komplett auf tierische Lebensmittel wie
- Fleisch,
- Fisch,
- Honig,
- Eier,
- Butter,
- Käse,
- Milch.
Als veganer Fleischersatz und Milchersatz dienen vor allem:
- Soja-Produkte,
- Mandel- oder Reismilch,
- eifreie Nudeln,
- Gemüse,
- Obst.
Zahlreiche Studien belegen, dass der Verzicht auf tierische Produkte einen positiven Einfluss auf die Gesundheit hat und zum Beispiel das Risiko, an Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Osteoporose zu erkranken, senken kann. Eine Studie der University of Oxford kam zu dem Schluss, dass durch einen geringeren Fleischkonsum bis zum Jahr 2050 die Sterblichkeitsrate um sechs bis zehn Prozent verringert werden könnte.
Für Astrid Donalies spricht nichts gegen eine gut geplante vegane Ernährung bei gesunden Erwachsenen. „Sie weist in Bezug auf Ballaststoffe, Gemüse und Obst eine günstigere Zusammensetzung als die in Deutschland übliche Mischkost auf.“ Zudem verringere der Verzicht auf tierische Produkte den Ressourcenverbrauch sowie den Ausstoß von Treibhausgasen. Je stärker die Lebensmittelauswahl jedoch eingeschränkt werde, desto wichtiger sei ein gutes Ernährungswissen. Eine qualifizierte Ernährungsfachkraft könne diese vermitteln und so das Risiko eines Nährstoffmangels senken.
Die Gefahr bei veganer Ernährung: „Menschen, die sich rein pflanzlich ernähren, ohne Vitamin B12 zu supplementieren, haben ein hohes Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel.“ Dieser könne jedoch durch die Einnahme eine Vitamin-Präparates vermieden werden. Für bestimmte Personengruppen in sensiblen Lebensphasen spricht sich die DGE gegen eine vegane Ernährung aus: Dazu gehören Säuglinge, Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende.
Vielfalt statt Verzicht
Viele Ernährungstrends basieren auf Verzicht. Keine Kohlenhydrate, kein Zucker, keine tierischen Produkte und so weiter. Das kann in bestimmten Fällen natürlich sinnvoll sein, macht es aber natürlich auch schwierig, sich daran zu halten.
Aus Sicht der Expertin gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: „Kein Lebensmittel enthält alle Nährstoffe, daher ist es wichtig, ausgewogen und vollwertig zu essen.“ Eine Orientierung gibt zum Beispiel der Ernährungskreis der DGE. Dieser unterteilt das Lebensmittelangebot in sieben Gruppen. Astrid Donalies betont: „Eine vollwertige Ernährung liefert ausreichend, aber nicht zu viel Energie (Kalorien) und alle lebensnotwendigen Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Proteine (Eiweiß), Fette, Kohlenhydrate, Ballaststoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe.“ Anstatt zu verzichten solle man sich möglichst vielseitig ernähren, um auch das Risiko eines Nährstoffmangels zu senken. „Zudem sollte der Nachhaltigkeitsaspekt der Ernährung beachtet werden“, rät Donalies. „Pflanzliche Lebensmittel belasten das Klima weniger. Deshalb sollten Ernährungsweisen, die sehr viele tierischen Produkte beinhalten, eher vermieden werden“.
Schlank dank Ernährungstrend?
Besonders viel Aufmerksamkeit erhalten Ernährungskonzepte immer dann, wenn sie einen schnellen Gewichtsverlust versprechen. Aber hilft gesundes Essen tatsächlich? „Ernährungstrends versprechen häufig einen schnellen Gewichtsverlust, allerdings kommt es in der Regel nicht zu einer dauerhaften Veränderung des Ernährungsverhaltens und nach Beendigung der Diät kommt es in vielen Fällen zu einer erneuten Gewichtszunahme“, mahnt Astrid Donalies.
Nachhaltiger und gesünder sei eine langsame Abnahme, die mit einer Umstellung der Ernährungsgewohnheiten und des Bewegungsverhaltens einhergeht. „So kann das Zielgewicht auch gehalten werden.“ Entscheidend sei laut Donalies die Energiebilanz. „Durch die Wahl von volumenreichem Gemüse und Obst sowie von Vollkornprodukten und eiweißreichen Lebensmitteln bleibt man lange satt, Heißhungerattacken können vermieden und die Energiezufuhr vermindert werden.“ So sei zum Beispiel eine vollwertige Ernährungsweise basierend auf den zehn Regeln der DGE auch zum Abnehmen geeignet.
Ernährung allein ist jedoch nicht alles. „Eine erfolgreiche Gewichtsabnahme geht auch mit Entspannung und vor allem regelmäßiger Bewegung einher, um den Abbau von Muskelmasse zu vermeiden“, erklärt Donalies. Mindestens 30 bis 60 Minuten pro Tag. „Dazu gehört auch Alltagsbewegung: die Treppe statt des Aufzugs zu nehmen, häufiger mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen.“