Was sind Auslöser und Risikofaktoren einer Demenz?
Für eine Demenzerkrankung gibt es nicht nur einen Auslöser, sondern zahlreiche. Wieso gute Vorsorge früh beginnen muss, erklärt unser Experte im Video.
Erinnerungen an das Leben und die Liebsten vergessen – erst nach und nach, letztlich aber vollständig. Demenzerkrankungen werden meist zuerst mit Gedächtnisverlust in Verbindung gebracht. Dabei umfasst die Diagnose Demenz weit mehr, erklärt Dr. Stefan Kreisel, Ärztlicher Leiter der Gerontopsychiatrie am Evangelischen Klinikum Bethel, im Video.
Alle kognitiven Fähigkeiten sind betroffen. Bei einer Demenzerkrankung bilden Einschränkungen auf sozialer, emotionaler, sprachlicher und motorischer Ebene ein Krankheitsmuster. Doch was löst die Erkrankung aus?
Beim Thema Demenz steht häufig die Alzheimer-Erkrankung im Mittelpunkt. Sie macht mehr als die Hälfte aller Demenzerkrankungen aus und lässt Nervenzellen im Gehirn absterben. Ein Prozess, der nach aktuellem Stand der Forschung nicht gestoppt werden kann.
Bei 20 Prozent der Betroffenen wird eine vaskuläre Demenz diagnostiziert. Sie ist auf Durchblutungsstörungen im Gehirn zurückzuführen. In weiteren neun Prozent der Fälle besteht eine Grunderkrankung, die die Gehirnsubstanz zwar nicht direkt abbaut, aber dennoch Symptome verursacht, die einer Demenzform entsprechen. Bei einer solchen sekundären Demenz ist in bestimmten Fällen eine Heilung oder Teilheilung möglich. Die restlichen Demenzfälle sind Mischformen oder durch äußerliche Einwirkungen wie Schädel-Hirn-Verletzungen begründet.
Letztlich ist es aber egal, um welche Demenzform es sich handelt: Einen alleinigen Auslöser gibt es nicht. Eine ganze Reihe von Faktoren kann das Risiko einer Erkrankung erhöhen.
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Welche Risikofaktoren gibt es?
Neben genetischer Veranlagung oder äußeren Einwirkungen wie Schädel-Hirn-Traumata gibt es zahlreiche Risikofaktoren, die minimierbar sind. Je kleiner sie gehalten werden, umso geringer ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung wie Alzheimer.
Hörverlust
Es gibt Faktoren, die vielleicht auf den ersten Blick seltsam anmuten – beispielsweise der Einfluss des Hörvermögens. Das Gehirn möchte beschäftigt werden, Informationen aufnehmen und verarbeiten. Eine wichtige Informationsquelle sind Geräusche wie Sprache, Musik oder die Natur. Ist die Hörfähigkeit eingeschränkt, werden die Aktivitäten zwischen bestimmten Hirnbereichen geringer und ein Streckenabschnitt der neuronalen Datenautobahn im Gehirn wird weniger genutzt. Dies beeinträchtigt die normale Funktion der umliegenden Hirnareale. Das Gehör zu schonen und mit Hörhilfen die Hörfähigkeit möglichst lange aufrecht zu erhalten, kann deshalb die Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Demenz verringern.
Medikamente
Auch Medikamente sollen für eine Alzheimer-Demenz mitverantwortlich sein. Wie ist das möglich? Sie sollen doch Krankheiten bekämpfen, nicht auslösen. Tatsächlich beobachten Ärzte auf der ganzen Welt seit Jahren immer wieder Fälle, in denen Patienten insbesondere Psychopharmaka oder Präparate gegen Blasenfunktionsstörungen verschrieben bekommen und anschließend Demenzsymptome entwickeln. Die gute Nachricht: Werden die Medikamente frühzeitig als Auslöser der Symptome entdeckt und entsprechend ersetzt, klingen die Demenzsymptome häufig wieder ab.
Vitaminmangel
Besteht bereits Kontakt mit Ärzten, ist es sinnvoll, auch gleich die Vitamin-Werte prüfen zu lassen. Insbesondere die B-Vitamine und Vitamin D sollten ausreichend vorhanden sein. So führt ein Mangel an B-Vitaminen zu erhöhten Werten der Aminosäure Homozystein, was wiederum die Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Die Aminosäure begünstigt Plaquesbildung in den Gefäßen, das Risiko für eine vaskuläre Demenzursache steigt. Dass ein Vitamin-D-Mangel in Zusammenhang mit einem um bis zu 125 Prozent erhöhten Demenzrisiko steht, zeigt unter anderem eine Studie des Forschers David Llewellyn von der University of Exeter. Warum dieser Zusammenhang besteht, konnte die Studie allerdings nicht klären.
Stressbelastung und seelisches Befinden
Auch Stress und negative Belastungen haben einen großen Einfluss auf die langfristige Leistungsfähigkeit des Gehirns. Zahlreiche Studien zeigen, dass Menschen, die viel Stress oder Problemen ausgesetzt sind, häufiger an Alzheimer erkranken. Die Mehrbelastung löst Prozesse aus, die den Nervenzellen im Gehirn dauerhaft schaden und das neurohormonelle System stören. Auch bei diesem Risikofaktor ist zwar nachweisbar, dass ein Zusammenhang mit Symptomen besteht. Worin die konkrete Ursache liegt, ist aber auch hier noch unbekannt.
Gewicht
Ein paar Kilo zu viel sind im Alter nicht ungewöhnlich. Wer aber bereits in jungen Jahren Übergewicht hat oder sogar unter Adipositas leidet, erhöht sein Demenzrisiko dramatisch. In einer großen Studie mit mehr als 42.000 Teilnehmern aus den Jahren 1999 bis 2011 konnte dies von einem Forscherteam von Universitäten in China, den USA, Schweden und Italien gezeigt werden. Demnach erhöht eine Adipositas-Diagnose im Alter von 30 Jahren das Risiko für Alzheimer um 350 Prozent, im mittleren Lebensalter von 40 Jahren um 70 Prozent und mit 60 Jahren immer noch um 40 Prozent.
Menschen mit Diabetes vom Typ 2 erkranken etwa doppelt so häufig. Diese Krankheit steht aber nicht zwangsläufig immer mit Übergewicht in Zusammenhang.
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Bluthochdruck
Übergewichtige haben jedoch meist mehr Ablagerungen in den Gefäßen durch Fette und Kalk. Diese Plaques bilden Engstellen, das Blut muss entsprechend mit höherem Druck gepumpt werden, um weiterhin alle Organe und Körperstellen zu versorgen. Bildet sich aber zu viel Plaques, kommt es nach und nach zu einer geringen, aber stetigen Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff aus dem Blut. Ein Risikofaktor für Alzheimer entsteht.
Rauchen
Wer raucht, sorgt direkt zu Beginn des Sauerstoffkreislaufs dafür, dass erst gar nicht genügend Sauerstoff im Blut ankommt. Plaquesablagerungen direkt in der Lunge verhindern die dauerhaft ausreichende Versorgung. Gefäße verengen sich, um mehr Durchblutung und damit den Sauerstofftransport zu ermöglichen. Bluthochdruck entsteht und eine gefährliche Spirale folgt, die letztlich zur Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit führen kann.
Umwelteinflüsse
Auch Feinstaub und Stickoxide in Großstädten haben einen negativen Einfluss auf Gefäße. Schadstoffe setzen sich dort fest und verengen sie. Lauter Lärm sorgt wiederum für mehr Stress und wirkt sich wie beschrieben ebenfalls auf die Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Demenz aus.
Wie bei diesem, aber auch den meisten anderen genannten Risikofaktoren ist zwar ein deutlicher Einfluss auf das Erkrankungsrisiko erkennbar, aber die konkreten ursächlichen Mechanismen sind oft hinter der enormen Komplexität des Gehirns verborgen. Werden diese Mechanismen eines Tages entschlüsselt, ist gleichzeitig ein großer Schritt hin zu Therapiemöglichkeiten gemacht, mit der die circa 1,6 Millionen Demenzerkrankten in Deutschland behandelt werden könnten. Bis dahin bleibt nur die bestmögliche Vorsorge gegen Demenzerkrankungen.
Wie gelingt die Vorsorge?
Die ist eigentlich ganz einfach. Denn wer die Risikofaktoren kennt, kennt auch die Vorsorgemöglichkeiten. Es sind vor allem die großen Klassiker, die wie bei so vielen anderen Krankheiten den Unterschied machen: wenig Alkohol trinken, nicht rauchen, gesund essen und körperliche Aktivität – ein gesunder Lebensstil. Auch Vorerkrankungen wie Diabetes oder andere Stoffwechselstörungen zu kontrollieren, ist wichtig. Das Leben muss dafür nicht radikal in allen Bereichen umgestellt werden. Stück für Stück hin zu einem gesünderen Leben ist der richtige Ansatz. Denn so wie die Demenz selbst, passiert auch die optimale Vorsorge gegen sie nicht von jetzt auf gleich.