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Datum:18.05.2023 - Kategorie:Gesundheit
Lesedauer:ca. 14 Min.

Wechseljahre Depressionen: Hilfe für die Psyche in der Menopause

Depressionen in den Wechseljahren – sieben von zehn Frauen erleben in den Jahren rund um die Menopause psychische Probleme. Was Betroffene dagegen tun können, erfahren Sie im Artikel.

Wechseljahre Depressionen – „Manchmal habe ich nachts Angst vor dem nächsten Tag.“ 

Seit ein, zwei Jahren erlebt Claudia Klatt zunehmend depressive Phasen und leidet unter Schlafstörungen. Waren es früher die klassischen zwei Tage vor der Periode, in denen sie gedrückter Stimmung war, sind es inzwischen 16, 17 Tage des Zyklus. Tendenz steigend. „Die Zeiten, in denen es mir gut geht, werden weniger“, sagt die 49-Jährige. Ab 2, 3 Uhr morgens liegt sie jede Nacht wach und kann nicht mehr schlafen. Je länger sie wach liegt, desto unruhiger wird sie innerlich und verspürt den Drang aufzustehen. Sie zwingt sich, liegenzubleiben, schläft aber nicht mehr ein. Am nächsten Tag ist sie müde, kraftlos, schnell überfordert und schnell gereizt. „Manchmal habe ich nachts Angst vor dem nächsten Tag. Weil ich nicht weiß, wie ich das alles schaffen soll. So übermüdet, wie ich bin.“

„Durchschlafstörungen sind typisch für die Wechseljahre.“ (Dr. Susanne Worms, Frauenärztin)

„Schlafstörungen und insbesondere Durchschlafstörungen sind typisch für die Wechseljahre“, sagt Dr. Susanne Worms, niedergelassene Frauenärztin in Bielefeld. Sie treten durch hormonelle Veränderungen auf, wenn der Östrogenspiegel sinkt. Das passiert bei den meisten Frauen mit Anfang fünfzig, nach der Menopause (letzte Periode).

Der Östrogenmangel führt neben Durchschlafstörungen zu Hitzewallungen. Auch die erlebt Claudia Klatt, vor allem nachts. Ihr Zyklus hat sich zudem um vier Tage verkürzt, auf einmal leidet sie unter Gelenkschmerzen und hat ein bis zwei Hosengrößen zugenommen. Eine Frau in den Wechseljahren hat ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, körperliche Beschwerden und erlebt unter Umständen seelische Beschwerden und psychische Symptome bis hin zu einer echten Depression.

Warum bekommt man in den Wechseljahren depressive Verstimmungen?

Die Mutter zweier Kinder (17 und 29) fühlt sich antriebslos, für alles fehlt ihr die Energie. Sie müsse unheimlich viel Kraft aufbringen, um durch den Tag zu kommen, erzählt Klatt. „Jeder Schritt fühlt sich an, wie gegen eine Gummiwand zu laufen.“ Es sei anstrengend, sich aufzuraffen und aufzustehen. Selbst zu duschen falle ihr schon mal schwer.

„Fällt das Östrogen ab, sinkt bei vielen die Stimmung“, sagt Worms. Es können psychische Probleme mit depressiven Symptomen auftreten. Viele Frauen bräuchten Östrogen, um in einer guten, ausgeglichenen Stimmung zu sein. „Depressive Verstimmungen haben immer mehrere Ursachen“, sagt Worms. Aber dadurch, dass ab diesem Alter das Östrogen fehlt, was bisher für eine ausgeglichene Stimmung gesorgt hat, müssten die Frauen dann die positive Stimmung aus eigener Kraft herstellen. Indem sie Dinge tun, die ihnen guttun.

Wie unterscheiden sich Depressionen in den Wechseljahren von einer klassischen Depression?

„Die Übergänge sind fließend“, sagt Worms. Frauen, die sowieso schon zu Melancholie neigen, entwickelten in den Wechseljahren oder danach sehr wahrscheinlich eine Depression. Oft spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Die Lebenssituation in dieser Phase sei für viele in mehrfacher Hinsicht belastend und eine Zeit des Umbruchs, sagt Worms. Graue Haare und mehr Falten zeigten den Alterungsprozess, weil sie in unserem Kulturkreis negativ behaftet sind, mehr als bei Männern. Die Kinder sind vielleicht groß und ziehen aus, die eigenen Eltern werden alt und unter Umständen pflegebedürftig. Im Job seien die Frauen oft eingespannt. Einige entwickelten in dieser Phase einen Burn-out.

Sinkt das Östrogen, schwindet die Energie

„Frauen, die sich darauf verlassen, dass sie immer weiter geben können, die Kinder hin- und herfahren und versorgen, sich um die Eltern kümmern und nie etwas für sich tun, verlieren mit dem Östrogenabfall in den Wechseljahren ihre Energie“, sagt Worms. Das Östrogen, das dafür sorge, dass wir immer für andere sorgen und machen und tun, stagniere auf einmal. Dann hätten viele für diese Dinge keine Kraft mehr.

Wie äußern sich Depressionen in den Wechseljahren?

Durchschlafstörungen sind ein wichtiges Symptom für Depressionen in den Wechseljahren“, sagt Worms. Sich nicht mehr freuen zu können und sich emotional abgestumpft zu fühlen, sei ebenfalls ein deutlicher Hinweis. Im Hamsterrad ständig überlastet zu sein und nichts mehr richtig schaffen zu können. Keine Freude zu empfinden bei den Dingen, die man tut und dass einem nichts einfällt, was einem Freude bereiten könnte. Dauernd kaputt zu sein und sich antriebslos zu fühlen. „Ich komme gar nicht mehr raus aus dem Loch“, berichteten ihr einige Patientinnen. Dass sie eine große Traurigkeit erfasst habe. Auch Claudia Klatt ist an manchen Tagen traurig. Während sie sonst viel redet, fällt es ihr an solchen Tagen schwer und sie redet kaum, am liebsten gar nicht.

Was kann man gegen die Verstimmungen tun?

Es sei wichtig, zu realisieren, in was für einem Hamsterrad man stecke und da auszusteigen, sagt Worms. Pausen einzulegen. Statt einer zeitlich begrenzten Kur empfiehlt die Gynäkologin, im Alltag dauerhaft für regelmäßige Erholung zu sorgen. Dinge zu tun, von denen man weiß, dass sie einem guttun. Bei einigen sei das Joggen oder Nordic Walking, das sie regelmäßig zweimal in der Woche machen, bei anderen sei es Schwimmen zu gehen, Yoga oder Gartenarbeit. Es sei wichtig, sich zwei bis drei solcher Inseln in der Woche einzurichten, sonst steige man aus dem Alltagsstress nicht genügend aus.

Wechseljahre Psyche: sich Zeit nehmen für sich

Daneben empfiehlt Worms eine gesunde Ernährung, die Mahlzeiten sorgfältig zuzubereiten und sich Zeit zu nehmen zum Essen. Eine ausreichende Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren kann helfen, Wechseljahresbeschwerden zu lindern. Es sei allerspätestens jetzt sehr wichtig, mit dem Rauchen aufzuhören, sagt Worms. Durch gute  soziale Kontakte lassen sich Schlafstörungen und psychische Beschwerden besser ertragen: „Mir hilft, ganz tolle Freunde zu haben“, sagt Claudia Klatt. Sie würden viel zusammen lachen, auch über die Hitzewallungen, die auf einmal einige Freundinnen erleben.

Helfen Medikamente oder Naturheilmittel?

Worms empfiehlt zunächst Naturheilmittel auszuprobieren, bevor man zu Hormonpräparaten greift. Das Medikament Femiloges aus der sibirischen Rhabarberwurzel helfe ihrer Erfahrung nach sehr gut. Remifemin, ein Mittel aus der Traubensilberkerze, gebe es in der Plus-Variante auch in Kombination mit Johanniskraut und werde ebenfalls gegen Hitzewallungen und depressive Verstimmungen verwendet. Helfen die pflanzlichen Mittel nicht, empfiehlt Worms eine niedrig dosierte Hormonsubstitution mit einem bioidentischen Hormon. Eine Patientin habe schon nach drei Tagen der Behandlung eine Verbesserung und Stimmungsaufhellung gespürt und Worms davon berichtet. Auch Antidepressiva würden einigen durch die Wechseljahre helfen.

Wie sieht die Behandlung aus?

Das bioidentische Hormon kann in einem Gel oder Spray auf die Haut aufgetragen oder als Pflaster geklebt werden. Die Aufnahme über die Haut habe das beste Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil, sagt Worms. Es belaste weder die Leber noch den Magen-Darm-Trakt und werde über die Haut kontinuierlich aufgenommen. Das sei die gesündeste Anwendung.

Mit der Hormonbehandlung sollten Betroffene nicht erst fünf oder zehn Jahre warten, sondern mit Beginn der Wechseljahre starten. Führe man dem Körper Östrogen zu, müsse man auch Progesteron einnehmen. Sonst verdicke sich die Schleimhaut in der Gebärmutter, Zwischenblutungen könnten auftreten. Nach Monaten könnten sich Zellveränderungen in der Gebärmutter entwickeln.

Wie lange halten die Depressionen an?

Die Depressionen würden nicht von allein wieder verschwinden, sagt Worms. „Es ist wirklich wichtig, sich Hilfe zu holen.“ Seinen Lebensstil zu ändern, damit es einem wieder besser geht, bei Bedarf Medikamente zu nehmen. Auch eine Psychotherapie könne die Frau unterstützen, ihr Leben neu auszurichten.

Wie hoch ist das Risiko für eine Wechseljahresdepression?

Sieben von zehn Frauen erleben in den Jahren vor und nach der Menopause psychische Beschwerden. 20 Prozent von Worms Patientinnen in den Wechseljahren brauchen eine Behandlung mit einem bioidentischen Hormonpräparat. Der häufigste Grund, weshalb sie das Medikament verordnet, sind Durchschlafstörungen. Berichte ihr eine Patientin, sie sei energielos, schlafe aber gut, sei das ihres Erachtens keine durch die Wechseljahre ausgelöste Depression, sagt Worms. In solchen Fällen helfe es häufig, den Lifestyle zu ändern.

Gibt es Möglichkeiten der Vorbeugung bei Depressionen in den Wechseljahren?

Worms empfiehlt, früh den Lebensstil zu verändern, bevor die Wechseljahre überhaupt einsetzen. Die Frauen, die gut auf sich achteten, indem sie sich gesund ernährten, Sport trieben und sich Pausen erlaubten, seien weniger gefährdet, in den Wechseljahren eine Depression zu entwickeln. „Wichtig ist, schon vor den Wechseljahren dafür zu sorgen, dass man selbst vorkommt in seinem Leben und Dinge tut, die man gerne macht. Die einen freuen und die Seele nähren.“ Für sich und sein Wohlbefinden zu sorgen.

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